Von Dirk Tölke
Im Kreisgymnasium, in der Villa Glanzstoff und der ehemaligen Produktionshalle der Glanzstoff AG in Oberbruch sowie in der Gemeinschaftsgrundschule am Burgberg und im Bergfried in Wassenberg stellt Berresheim aus. Museal wird es im Begas-Haus in Heinsberg. Sein vielfältiges Werk ist nicht nur daselbst verwurzelt, sondern auch radikal, die Wurzel, das Grundsätzliche neu betrachtend und von der Wurzel her Neues aufbauend. Er merzt nicht mit Stumpf und Stiel aus, sondern baut mit Computer und Stil neue Welten, reizt die technischen Möglichkeiten unserer Gegenwart visuell und virtuell weiter aus, als dies selbst professionelle Studios wie Pixar oder Disney tun, deren Präzisionswille von Kostenerwägungen gebremst wird. Sie begnügen sich mit Illusionen, deren Genauigkeit in Hinblick auf Lichtsteuerung und Schattenfarbigkeit einfacher berechenbar sind, als die dreidimensionalen Bildraumschnitte aus den Welten von Tim Berresheim. Soviel Detaildichte gibt es nur hier.
In den Entwürfen für sein aktuelles Projekt „Aus alter Wurzel neue Kraft“ sind Orte als Gefildemodelle von Farbspuren malerisch durchzogen. Das sind ganz eigene virtuelle Darstellungen und Studien, pixeldicke Oberflächenhäute mit dem Appeal von Papierschnitt und Eisenbahnmodell, aber unendlich viel filigraner und aufgelöster, als es andere Materialien je hergeben könnten. Zwitter aus Realismus und Informel. Wie werden diese mit vergangener Erfahrung aufgeladenen Wirklichkeitsfetzen zu Erinnerungsorten? Als wichtig gemachtes Fragment häufig durchschrittener Sphäre entwickelt sich eine Räumlichkeitserfahrung, die sich von Perspektive freimacht, am Tafelbild festhält, das als Blick auf oder Schnitt durch den bühnenhaften und durchlichteten 3D-Raum Gestalt gewinnt und zwar als Wandtapete, Siebdruck, Fotografie oder Computerprint, häufig in mächtigen Dimensionen.
Im New America Shop findet man Accessoires, so wie es Keith Haring und die Streetart vorgemacht haben. Einzelne Vokabeln aus der speziellen Bildsprache von Tim Berresheim. Metaphern, markenmäßige Privatikonogramme werden zu T-Shirt-Verlautbarungen oder Rhetorik einer Do-It-Yourself-Punk-Bewegung, die Alltägliches beziehungsweise aus dem medialen und Szene-Alltag oder Tattoo-Symbolismus selbstverständlich gewordene multikulturelle Bildsprachen für sich umdeutet. Das kann auch ganz Gewöhnliches sein. Nicht das Thema macht die Kunst oder kostbares Material, sondern meist bekommt Privatestes und Regionalstes durch die kombinatorische Leistung und Umsetzungsform generelle Bedeutung. Tim Berresheim ist an der Front heutiger Bildmöglichkeiten unter Nutzung digitaler Medien. Diese Bildmittel bereichern die kombinatorischen Möglichkeiten ungemein.
Sicher steht er erst am Anfang der Umsetzung neuer Bilderfahrungen. Aber seine Komplexität verliert sich nicht in Beliebigkeit und Zerstreuung, sondern er bleibt dem Tafelbild und dem gezielten Beziehungsgefüge treu. Da der Kunstmarkt und die Überlebensstrategie nach einer Marke gieren, weiß er auch diese nicht ohne Ironie zu liefern, kleingestickert, als Begleitikonographie von Polynesien, über Haare, ¬Pilze, Spielkarten und Pflanzenverschlingungen bis zu Piss Miggy. Unbehagen an gesellschaftlichen Entwicklungen und grenzüberschreitende Direktheit durchziehen das Werk. Da hat man mächtig was zu staunen und zu verdauen, fasziniert, irritiert und motiviert. Das Vokabellernen wird anstrengend, aber man kann sich ja Zeit lassen. Zeit nehmen sollte man sich auf jeden Fall, auch wenn die Bildwelt zunächst mal nicht jedermanns Fall ist. Die Welt ist alles, was der Fall ist. Die nächste Generation übernimmt die Bildregie, wenn auch sie bereits von globalen Bildströmen geprägt ist. \
16.8.-20.9.
Tim Berresheim – „Aus alter Wurzel neue Kraft“
Begas-Haus, Heinsberg
Tim Berresheim
1975 in Heinsberg geboren, lebt und arbeitet als Künstler und Musiker in Aachen. 2002 begann er computergenerierte Tafelbilder zu entwickeln. 2014 verdichteten sich Bildproduktion, Merchandising und Visualisierungsmittel zu komplexen Ausstellungsinstallationen. 2015 wurde Augmented Reality eingebunden. 2018 gründete er die Studios New Amerika GmbH als Merchandise-Workspace in der Theaterstr. 66, die neben Atelier und Gemeinschaftsbüro den Ausstellungsraum Die Kabine beinhalten. \
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