Von Dirk Tölke
Von 1961 bis 1972 hat Joseph Beuys an der Kunstakademie in Düsseldorf als Professor für Monumentalbildhauerei gewirkt, bis 1968 fast therapeutisch um seine Schüler*innen bemüht, diskussionsfreudig, humorvoll und aufrichtend streng. Seine Ablehnung des Numerus Clausus 1971 führte zur Erhöhung der Studierendenzahl und nahm die Zeit für individuelle Begleitung.
Trotz Jüngerschaft lässt sich kein schulbildender Stil finden, eher eine Haltung, die Konfrontation und den Bruch mit der Tradition sucht, dem erweiterten Kunstbegriff und der sozialen Plastik folgt, ästhetisch sensibel und politisch agitativ, suchend und eigenwillig daherkommt. Rezipienten der Fluxusideen, Vitrineninszenierungen, Multiples, Materialien und ikonischen Bilder des umstrittenen Künstlers bis zum Starkult greifen mitunter kurz seine zarten Zeichnungen auf genutztem Papier auf. Aber es ging mehr um Individualität und nicht um Masche oder Schulbildung. Jeder Mensch hat kreatives Potenzial, ist daher ein Künstler, aber nicht unbedingt Berufskünstler.
Schüler wie der farbgewandte Hartmut Ritzerfeld (Neue Wilde) und der zeichnerisch geniale Roland Mertens (Barockrezeption) erfuhren Freiraum, folgten aber stilistisch anderen Wegen. Der erste Schüler Walter Verwoert entwickelte ein typographisches Vokabular, das als Form und Klangwelt im Sinne der weitergeführten Performance aktionistisch und komplex Räume besetzt. Bonifatius Stirnberg suchte die Erneuerung und erfuhr sie radikal als Hinweis, dass Beuys hoffe, in sechs Monaten sähe auch er die eingereichten Bewerbungsunterlagen als abschreckende Beispiele an. Um Seele und Charakter in die plastischen Arbeiten zu bringen, statt glatter, toter ästhetischer Regelhaftigkeit, malträtierte Beuys mitunter Tonmodelle und gewann für die Schüler*innen aus der schockierenden Deformation neuen Ausdruck. Nicht nur Michael Schniedermeiers Bischof zeugt davon, sondern auch die Auferstehungskreuzigung von Bonifatius Stirnberg, der obendrein mit seinen beweglichen Figuren erstmals die interaktive Beteiligung der Betrachtenden an einer öffentlichen Plastik ermöglichte, soziale Plastik, die von avantgardistischen Positionen diesbezüglich unterschätzt wird. Sowohl Anatol als auch Laurentius Englisch mit seinem handreichenden Christus am Kreuz oder kritischer Spell mit seinem Kruzifix-Baukasten, suchen, vom Katholizismus geprägt, nach neuen Ausdrucksformen, die nicht traditionelles symbolisches Formspiel, sondern die Seele ergreifende Formfindung sind. Laurentius Englisch und Walter Dohmen zeigen sich von sensiblen Korrekturen beeindruckt. Elfi Verwoert hingegen radierte die Korrekturen von Beuys etwa ihrer Puppenzeichnungen verärgert weg. In den Räumen von Beuys gab es neben einer Tonkiste vor allem Diskussionen. Plastisch arbeitete Eugenie Bongs-Beer in Nebenräumen. Ihre klassischen Köpfe weisen bis heute ein Gespür für Materialität auf.
Melancholie, Symbolik und Beweglichkeit greifen die eigenwilligen Zeichnungen von Hermann-Josef Mispelbaum auf. Peter von Hoegen hingegen bleibt in Kürzeln und Bildschrift Suchender. Spell studierte bei Beuys parallel zum Medizinstudium und sucht kritische Auseinandersetzung mit Klischees, Gesellschaft, Tod und Leben und Materialcollagen. Karl von Monschau fügt sich in diese Fluxustradition ebenso wie Dirk Schulte, der im Geiste von Beuys Materialverwendung Schaukästen arrangiert und ins Poetische wendet. Jens Dummer und Hans Niehus gehen ironisch mit Beuysbildern um, Ingeborg Lehnertz-Schröter porträtiert die Eindringlichkeit der Person. Wie streitbar und aktuell Positionen von Beuys immer noch sind, zeigen einige Texte. Seit Beuys hat kein Künstler mehr die Kunst in der Öffentlichkeit so zum Thema gemacht. Dafür hat er sich keiner Diskussion entzogen. Die Comic-Biographie von Willi Blöß und Bernd Jünger bringt einer jüngeren Generation nahe, was Forscher der Region wie Axel Hinrich Murken, Adam C. Oellers, Wolfgang Zumdick, Winfried Adams und Marco Sorace bisher erforscht haben.?\
bis 14.8.
„Was bleibt? Beuys-Rezeption in der Region“
Kulturwerk Aachen
Adalbertstr. 12, Mo-Sa 13-17.30 Uhr
Ergänzt im Architekturbüro Höhler+Partner
(H.-J. Mispelbaum, Hans Niehus, Dirk Schulte)
Sonnenweg 11a Mo-Fr. 8-17 Uhr
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