Von Dirk Tölke
Was hier ehrenamtlich geleistet wurde, kann nicht genug gewürdigt werden. Seit 2003 bemüht sich der Verein Tuchwerk – Technikgeschichte in Bewegung, allen voran Jochen Buhren und Andreas Lorenz mit zehn aktiven Mitgliedern, um die Bewahrung und Sichtbarmachung einer verlorengehenden Kenntnis von Produktionsabläufen und Technikgeschichte, die Aachen mit ehemals über 100 Textilfabriken bis in die 1970er Jahre nachhaltig geprägt hat, von Nadeln mal ganz abgesehen. 1983 war mit der Schließung der Tuchfabrik Becker endgültig Schluss.
Ein Ort mit bunten Bächen
Sie liegt am Wildbach in der Soers, wo es einige Färbereien gab, deren wechselnd bunte Wässer Zeitzeugen noch aus ihrer Jugend kennen. In deren verfallenden Gebäuden, der Stockheider Mühle residiert das Tuchwerk, seit kurzem das Theater K und andere Untermieter.
Seit die Margarete-Lorenz-Stiftung dieses Arreal 2012 erwarb und dem Wohnbebauungsplanungen ein Ende setzte, gibt es Planungssicherheit für den Verein, der 2006 bis 2009 in einem Architekturbüro der Komericher Mühle in Brand und einem Lager in der Rütscherstraße schon einmal einen Versuch begonnen hatte, die hiesige Textilgeschichte, speziell die Streichgarnherstellung, nachvollziehbar zu machen.
Maschinen teils aus Südbelgien
Dabei geht es nicht nur um gerettete Firmennachlässe, alte Fotos und ein paar Garnrollen und Stoffmuster, die Lorman präsentiert: ein Heimatmuseum noch zu beherbergen bewältigen könnte, sondern um riesige, schwere Maschinen mit Platz- und Reparaturbedarf, bzw. mit einer aufwändigen Einrichtung zur industriellen Produktion, für die die Kenntnisse verkümmern, die die Ehrenamtler noch mitbringen, die häufig in diesem Metier gearbeitet haben.
Teils zum dritten Mal wurden diese Maschinen und kleinen Produktionsstraßen aufgebaut, die auch aus Betrieben in Südbelgien beschafft wurden, weil hier keine mehr zu finden sind. Zupacker, die auch mal improvisieren müssen, um die schön gestalteten Werke der Ingenieurkunst am Laufen zu halten.
Heiße Quellen und weiches Wasser
In der nicht zu heizenden „Blechhalle“ stehen sie nun erst mal sicher: Krempel- und Kratzenmaschine, Spul- und Zwirnmaschine, Webstühle, Selfaktor und Reißwolf. Geräte aus verschiedenen Zeiten seit 1820 machen Textilfabrikation von der Baumwoll-flocke bis zum veredelten Tuch nachvollziehbar, das den Aachener Reichtum ausmachte.
Hier war insbesondere ein Zentrum der Wollherstellung, denn die heißen Quellen und das weiche Wasser machten die empfindliche Wolle ohne heute nutzbaren chemischen Enthärter preiswert verarbeitbar.
Aachen bleibt textil
Die gut besuchte Eröffnung war ein Einstieg in einen Aachener Anlaufpunkt für Kultur- und Technikgeschichte. Das gerade eröffnete Energeticon in Alsdorf weist den Weg. Es bleibt glücklicherweise nicht nur bei dem international gut vernetzten, an Mithelfern, Zeitzeugen, Nachlässen und Finanzhilfen interessierten Verein, sondern RWTH-Institute mit ihren oft unbekannten Sammlungen docken sich an.
Eine Näherung von Universität und Bürgerschaft. Es geht um ein Integrieren von Technik, Kultur und Leben, um die Lernort-Teilhabe an Prozessen und Materialien, die ja nicht passé sind.
Anschauung – Fundament der Zukunft
Heute werden in Aachen medizintechnische Textilien hergestellt. Die Jahresausstellung des „world-wide-wool.net“ zeigte, was neun Schulen, zehn Künstler und rund 250 Schülerinnen und Schüler der Region an kreativem Potential und Interesse zu textilen Themen zustande bringen.
An dieser Stätte können Zugänge, Interessen für Prozesse und Maschinenkunst und Materialleidenschaften entstehen. Davon lebt die Zukunft. Anschauung ist das Fundament. Unterstützenswert, was hier geleistet wird.\
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