Von Simon Wirtz
Seit elf Jahren lebt Petar Stoyanov in Aachen. Dabei hat er vorher noch nie von der Stadt gehört. „Ich war damals auf der Durchreise von Bulgarien nach Brüssel, und es war schon sehr spät. Also suchte ich mir in Aachen eine Unterkunft. Nach dem Frühstück bin ich dann noch durch die Stadt geschlendert, und mir fiel auf, wie schön Aachen ist.“ Vor allem die Architektur in der Altstadt beeindruckte den 42-jährigen Bulgaren. „Besonders Dom und Rathaus sind mir im Gedächtnis geblieben. Ich wusste sofort: Hier will ich wohnen!“ Heute sieht sich der Hobbyfotograf als eine Art visueller Botschafter Aachens für die (digitale) Welt.
Nach Aachen zu ziehen, das hieß für den kulturinteressierten Bulgaren, der bisher 156 Länder bereist hat, mehr, als man auf den ersten Blick denken könnte. „Das war wirklich nicht einfach. Ein kompletter Kulturunterschied. Ich habe meine Frau aus Bulgarien hergeholt, obwohl wir gerade eine gut laufende Boutique hatten. Die haben wir quasi über Nacht geschlossen, und auf der Jakobstraße eine neue eröffnet. Das war 2009. Wir sprachen kein Deutsch, alles war super kompliziert. Unsere einzige Hilfe war damals ein bulgarischer Student. Ohne ihn hätten wir es nicht geschafft“, weiß Stoyanov. Harte Jahre warteten auf den Bulgaren, der nicht nur für sich und seine Frau, sondern auch für den kleinen Sohn im Kindergartenalter Verantwortung übernehmen musste.
Leukämie
Gut ein Jahr betrieben Stoyanoff und seine Frau eine Boutique auf der Jakobstraße, das Geschäft lief langsam an. „Wir hatten erste Stammkunden gewonnen, die Leute mochten uns.“ Dann passierte etwas, das dem Familienvater bis heute die Sprache verschlägt. „Unser Sohn erkrankte sehr schwer an Leukämie. Es war nicht einfach“, sagt der Vater nachdenklich. Die Boutique mussten die Stoyanovs fürs Erste aufgeben. „Und noch dazu betrog uns unser damaliger Hausverwalter in unserer Not um mehrere Tausend Euro. Wir waren sprachlos!“
Harte Arbeit, schlecht bezahlt
Zurück nach Bulgarien? Nein, das konnte nicht alles gewesen sein. Nicht für Petar Stoyanov. Der lebenserprobte Bulgare, der sich auf seinen Reisen oft monatelang alleine mit Zelt und Schlafsack durchschlägt, musste kämpfen. „Ich habe gearbeitet, wo es Arbeit gab. Gebäudereinigung, Fenster putzen, harte Arbeit, schlecht bezahlt. Und was übrig blieb, habe ich mir für mein großes Hobby zurückgelegt, das ich in Deutschland entdeckte – die Fotografie.“ Stoyanovs erste Kamera war eine Sony Alpha 6000, erzählt er heute nicht ganz ohne Scham. Beim Fotografieren kann er abschalten, all die Sorgen und Probleme vergessen. Fotografieren befreit ihn. Nachdem er Freunde und Bekannte fotografierte, rieten sie ihm, sich ein zweites Standbein aufzubauen. „Da habe ich nach einem Arbeitstag an den Fassaden abends oft noch Paare im Sonnenuntergang abgelichtet, eine wunderschöne Arbeit“. 2017 begann für den Hobbyfotografen dann noch einmal ein ganz neues Kapitel. „Auf einer Reise legte mir jemand ans Herz, Instagram zu nutzen. Ich dachte erst, das sei etwas für Teenager. Dann lud ich ein paar Fotos hoch, nannte meine Seite „aachendeutschland“, weil ich dort sehr viele Fotos von Aachen zeigte und zeige. Nachdem „nationalgeographic“ und „earthofficial“ eines meiner Bilder teilten, war mein Postfach voll“, lacht der Bulgare. „Begeisterte Nutzer, aber auch Firmen, die mich beauftragen wollten“. Stoyanoffs Seite hat jetzt gut 17.400 Follower, Tendenz steigend. „Der nächste Schritt ist die Selbstständigkeit als Fotograf. Aber bis es soweit ist, muss ich noch sparen“, sagt er bescheiden. \
Instagram: aachendeutschland
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