Das dreiteilige Musiktheaterprojekt startet im Foyer des Theaters, wo die Besucherinnen und Besucher vier Gruppen zugeteilt werden und farbig markierte Kopfhörer erhalten. Dann geht es angeleitet von einem Guide auf einen Audiowalk zur Citykirche St. Nikolaus. Statt Hinweise auf Aachens Sehenswürdigkeiten, gibt es bei dem rund viertelstündigen Fußweg eine akustische Exkursion zu den Nestern der Brachvögel.
In der Kirche angekommen, beginnt der zweite Teil von „Curlew Love Songs“. Zunächst empfängt der Damenchor den unschuldig wie ein Welpe umher taumelnden Tenor Ferdinand Keller und wickelt ihn in eine blaue Stoffbahn, die im späteren Verlauf das Wasser darstellen wird, auf dem der Fährmann sein Schiff zum anderen Ufer übersetzen will.
Dabei trifft die vom japanischen No-Theater beeinflusste Kirchenparabel „Curlew River“ des Komponisten Benjamin Britten auf die aus Hörspielen und einem Live-Teil für Frauenstimmen bestehenden Uraufführung von Cymin Samawatie. Das verbindende Element des Stücks ist der am Flussufer brütende Brachvogel, im Englischen „Curlew“ genannt: Die Suche Brittens nach einem verlorenen Kind verwebt sich mit der Suche nach dem schützenswerten Vogel. Unter der musikalischen Leitung von Jori Komp greifen die Darsteller und Chormitglieder den Gedanken der Expedition auch in ihren Kostümen auf: ihre Bekleidung – mal Mönchskutte, mal Rock – lassen die Unterschiede zwischen Damen- und Herrenchor verschwinden.
Neben dem britisch-irischen Bariton Ronan Collett als rustikaler Fährmann, dem aus Mexiko stammenden Bariton Jorge Ruvalcaba als charismatischer Reisender und Bass-Bariton David Howes als Abt füllt vor allem Tenor Ferdinand Keller als verzweifelte Mutter („Madwoman“) seine Rolle mit Inbrunst aus.
Durch die mit einem Mann besetzte Frauenrolle bekommt das Stück einen zusätzlichen Twist, bei der die eingangs erwähnte Stoffbahn den Hauptcharakter im tragischen Finale wortwörtlich verwickelt. Zu den starken Stimmen der Damen und Herren im Kirchenraum kommen die starken Bilder der auf die Spitze getriebenen Verzweiflung, als die Mutter ihr Kind im Grab am Flussufer erkennen muss.
Da die Inszenierung in Aachen nur an fünf Terminen im Mai aufgeführt wurde, muss man für die nächsten Aufführungen nach Gießen fahren: im Rahmen der Hessischen Theatertage wird „Curlew Love Songs“ dort als Koproduktion mit dem Theater Aachen an fünf Terminen im Juli aufgeführt.
Im minimalistischen, multifunktionalen Bühnenbild sorgen ein gleichermaßen beweglicher wie bewegender Chor und die gewaltigen männlich besetzten Solo-Partien für ein eindrucksvolles Erlebnis, bei dem nicht nur der melancholisch leidende Gesang der namensgebenden bedrohten Bodenbrüter mit dem charakteristisch graubraun gefleckten Federkleid nachhallt. \bep
Hessische Theatertage: Curley Love Songs
Premiere: 5.7.
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