Von Sebastian Dreher
Damals war er verärgert, wenn seine Kinder erst in den Morgenstunden nach Hause kamen und auf die Frage, wo sie sich denn herumgetrieben hatten, wie selbstverständlich sagten: „Im Kittel.“ Doch die Zeiten ändern sich und mittlerweile ist Kurt Malangré, Träger zahlreicher Verdienstorden sowie Oberbürgermeister und Europaparlamentsabgeordneter a.D., selbst Stammgast in der Pontstraße 39. Und irgendwie scheint dieser grauhaarige Herr mit dem grünen Sakko in dem alternativen Café etwas Besonderes zu sein. Denn obwohl das Kittel gerade erst geöffnet hat, wird er von vielen Gästen herzlich begrüßt.
Kurt Malangré – gläubiger Katholik und strammer CDUler – war 16 Jahre Aachens Oberbürgermeister. Während seiner Amtszeit hat er von politischen Gegnern und alternativen Kräften eine Menge Gegenwind bekommen. Es wurde behauptet, er wohne gar nicht in Aachen, sondern in Belgien, was sich für den Repräsentanten der Domstadt nicht gehörte – wenn es denn wahr gewesen wäre. „In Raeren war lediglich unser Ferienhaus“, erinnert sich Malangré. „Das haben sich die Grünen ausgedacht.“ Um der Geschichte mehr Brisanz zu verleihen, wurde in der Presse nicht das bescheidene Bruchsteinhaus abgebildet, sondern ein exklusiver Bungalow. Den abgebrühten Politiker konnten diese Anschuldigungen nicht schocken.
Doch als zwei Jahre später das Finanzamt Kindergeldrückzahlungen geltend machen wollte – er habe ja schließlich im Ausland gewohnt – reichte es ihm. „Ich habe ziemlich herb reagiert“, wie er heute meint. Auch in späteren Wahlkämpfen haben sich Malangrés Gegner als durchaus kreativ erwiesen. „Eines Morgens bin ich durch Gemurmel geweckt worden. Als ich die Tür aufmachte, stand dort die Polizei.“ Kurz zuvor hatte jemand telefonisch behauptet, er hätte den OB entführt, und eine Millionen Mark Lösegeld gefordert.
Vergleichbar lustig war die Aktion, als jemand Malangrés Privatnummer unter eine Zeitungsanzeige mit dem Titel „Schöne Mansardenwohnung zu vermieten“ gesetzt hat. „Die ersten Studenten haben schon um sechs Uhr morgens angerufen.“ Seitdem haben die Malangrés eine Geheimnummer. Gar nicht komisch ging es dann allerdings im Wahlkampf 1984 zu, dem „fiesesten meiner Amtszeit.“
Im Schutz der Nacht schleuderten Unbekannte Ziegelsteine durch die Scheiben eines der Kinderzimmer. Für Malangré, der damals mit seiner zweiten Ehefrau und fünf Kindern am Knöpgerweg wohnte, ein Schock. „Da wurden Grenzen überschritten“, sagt er und fügt kurz darauf etwas milder hinzu: „Obwohl ich überzeugt bin, dass die Täter nicht wussten, dass hinter dem Fenster ein Kind schläft.“ Ähnlich nachsichtig blickt Malangré auf viele damalige Widersacher zurück – auch auf den Klenkes, der eine klare Gegenposition zur Stadtverwaltung bezogen hatte.
Der Klenkes war es auch, der die Zugehörigkeit Malangrés zum Laienorden „Opus dei“ aufdeckte – ein Umstand, der für viel Wirbel sorgte. Die Angriffe auf sein religiöses Privatleben empfindet der Ex-OB bis heute als Ungerechtigkeit. „Ich gehöre dem Orden nach wie vor an und erhalte durch ihn viel positive Stützung.“ Heute, als Pensionär mit fast 80 Jahren, sieht Kurt Malangré einiges anders: die Medien, die alternative Kultur, den Wandmaler Klaus Paier, für dessen Werkschutz er sich stark einsetzt.
Immerhin wäre er selbst beinahe ein Künstler geworden, hat Gesang studiert und am Aachener Stadttheater den Guglielmo aus Mozarts Cosi fan tutte gesungen. „Der Vertrag lag auf dem Tisch“, sagt er sichtlich stolz. „Ich hätte nur zu unterschreiben brauchen.“ Hat er nicht. \
Foto: Sebastian Dreher
WEITEREMPFEHLEN