Von Sebastian Dreher
Am Fuß der rund 30 Meter hohen Dreilägerbachtalsperre am Rand von Roetgen zu stehen und zu wissen, dass hinter der Staumauer Millionen Kubikmeter Wasser aufgetürmt sind, ist eine beeindruckende Sache. Beeindruckend ist auch, dass diese unglaublichen Wassermassen in gerade mal einem Monat aufgebraucht wären… würde nicht stetig Wasser nachfließen. Aufgebraucht von den Einwohnern der Region Aachen.
„Der Verbrauch steht momentan bei ungefähr 120 Litern pro Kopf“, weiß Walter Dautzenberg, technischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel mbH (WAG). „Dieser Wert umfasst das, was wir für Körperpflege, Waschen, Kochen und so weiter brauchen.“
Grund- oder Stauseewasser?
Die WAG ist ein Tochterunternehmen der Energieversorger STAWAG und enwor und produziert jährlich 33 Millionen Kubikmeter Trinkwasser. Damit versorgt sie große Teile der Euregio, neben Stadt und StädteRegion Aachen auch die Stadtwerke Düren und den niederländischen Versorger WML. „Nur der Aachener Kernstadtbereich sowie Stolberg und Eschweiler werden zum Teil durch Grundwasserwerke abgedeckt“, so der Bauingenieur. Die STAWAG mischt dieses Wasser allerdings mit Eifelwasser, um so Wasser in den Härtebereichen 1 und 2 von vier möglichen Graden zu bekommen.
Das erklärt in diesen Gebieten auch die Unterschiede beim Leitungswasser. Während das Eifelwasser auffallend weich schmeckt, ist das Misch-Kranenberger etwas kalkhaltiger. „Das kommt daher, dass der Regen durch viele Gesteinsschichten im Boden geflossen ist und dabei Kalk aufgenommen hat“, erklärt Dautzenberg. Mehrere hundert Tage braucht das Wasser in der Regel, um an der Grundwasserschicht anzukommen, von der es dann wieder an die Oberfläche gepumpt wird.
Die Funktion der „Makkaroni“
Doch diese Reise durch den Stein ist gleichzeitig auch eine Form der Filterung. Eine Filterung, die dem so genannten Oberflächenwasser aus einem Stausee fehlt. Aus diesem Grund wird es in der Roetgener Trinkwasseraufbereitungsanlage durch verschiedene Filtersysteme geschickt. „Unsere Ultrafiltrationsmembrananlage ist eine der größten und modernsten in Europa“, so Dautzenberg. „Hier werden Mikroorganismen, Bakterien und Viren aller Art entfernt.“
In der Anlage wird das Wasser durch hauchdünne, an Makkaroni erinnernde Halme gepresst, auf deren Innenseite eine Membran aufgedampft ist. Diese Technik wirkt wie ein extrem feines Sieb. „Die Membranporen haben einen Durchmesser von 0,02 µ-Meter“, so Dautzenberg. Wenn man jetzt noch weiß, dass ein µ-Meter einem Tausendstel-Milimeter entspricht, bekommt man eine ungefähre Vorstellung von der Wirksamkeit des Filtersystems.
Separierbares System
Die Dreilägerbachtalsperre beherbergt nicht das einzige Reservoir, auf das die WAG zurückgreifen kann. Richtung Südosten befindet sich noch die Kalltalsperre, außerdem werden bis zu 28,5 Millionen Kubikmeter Rohwasser jährlich im Obersee der Rurtalsperre Schwammenauel bereitgestellt. Verbunden ist dieses Talsperrenkettensystem über Pumpwerke, Stollen, Überleitungen und – das ist der Clou – Umgehungsleitungen. Dadurch kann sich die WAG aussuchen, welchem Stausee sie Wasser entnimmt.
„Das ist besonders wichtig bei Ölunfällen, etwa wenn nach einem Autounfall Kraftstoff in ein Gewässer gelangt ist“, sagt Dautzenberg. Bis sich der jeweilige See erholt hat, kann er also überbrückt und „vom Netz“ genommen werden. Die Trinkwasseraufbereitungsanlage in Roetgen hingegen darf nicht vom Netz gehen – denn dann stünde fast die ganze Region ohne Wasser da. Aus diesem Grund können die verschiedenen Filtersysteme geteilt werden.
„Bei Reparaturen können wir sechs der zwölf Blöcke der Ultrafiltrationsmembrananlage separieren und auf halber Kraft weiterfahren“, sagt Dautzenberg. Halbe Kraft heißt, dass pro Stunde „nur“ 3.000 Kubikmeter Wasser aufbereitet werden können – das entspricht 3.000.000 Litern. \
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