Eigentlich gibt es eine ausreichende Anzahl Biografien über die Person David Bowie und seine Musik. Dachte man. Aber Dylan Jones, als Redakteur und Journalist tätig für das i-D magazine, GQ, The Face oder den Observer, fand die fehlende Lücke im Dschungel der Bowie-Expertisen. Ähnlich wie Jürgen Teipels deutsche Punk-Dokumentation „Verschwende deine Jugend“ lässt Jones die Protagonisten sprechen, von den wichtigsten Musikern und Produzenten über -Familie, Freunde, Konkurrenten bis zu Nachbarn und zufälligen Augen- und Ohrenzeugen innerhalb seiner langen und wechselvollen Karriere.
Diese oral history wird von 182 Personen zusammen getragen, Bowies durch das ganze Buch gestreuten Zitate stammen aus sieben Interviews, die Dylan Jones mit dem Namensvetter David Robert Jones geführt hat. Der Modedesigner Tommy Hilfiger: „Mir hat er einmal erzählt, dass gar nicht Davy Jones der Grund für seine Namensänderung war. Ihm zufolge fing der „New Musical Express“ irgendwann an, Mick „Jagger Dagger“ zu nennen – Jagger, der Dolch. Und er fand, wenn Jagger Dagger sein kann, dann kann ich David Bowie sein, wie das Bowie-Messer.“
„David Bowie. Ein Leben“ ist bereits vor einem Jahr in England erschienen. Jones schrieb es in nur neun Monaten. Sein Wissen und Faszinosum war bereits vorhanden, folglich nahmen die Recherchen und Interviews die meiste Zeit in Anspruch. Was dieses 800 Seiten starke Buch so facettenreich macht, ist letztlich der gewährte Einblick hinter die Kulissen der Musikproduktion – Bowies Herangehensweise Songs zu schreiben, sein Talent kulturelle Strömungen wie ein Vampir aufzusaugen und sie in etwas völlig anderes zu transformieren.
Wichtige Wegbegleiter wie Mick Ronson, Tony Visconti, Brian Eno oder Nile Rodgers lüften das eine onder andere Geheimnis der Songs, die als Klassiker auch die nächsten Jahrzehnte überdauern werden. Und natürlich kommt in diesem Buch auch viel gesellschaftlicher und privater Klatsch zusammen, wie zum Beispiel seine früh ausgelebte Bi-Sexualität, die – man weiß es nicht – mit Kalkül vollzogen oder in den Anfangstagen zumindest karrierefördernd war („Eigentlich war David bisexuell, aber nur dann, wenn er das beschloss.“ Wendy Leigh, Bowie-Biografin) und nicht zuletzt seine Affinität zu Mode (Kansai Yamamoto) und als Sammler expressionistischer (deutscher) Kunst. Ein Menschenleben reichte David Bowie einfach nicht. \ rm
Dylan Jones
David Bowie. Ein Leben
Rowohlt Verlag
816 Seiten, 38 Euro
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