Interview: Christina Rinkens
Nicht nur auf der Leinwand, sondern besonders auch auf der Theaterbühne macht der exzentrische Eidinger eine gute Figur und bleibt dabei stets ein Publikumsliebling par excellence. Neben der Schauspielerei ist der 43-jährige Berliner ein Multitalent in weiteren Disziplinen, ob als DJ, Musiker, Bildender Künstler oder Bravo-Posterboy. Jetzt präsentiert er seine erste institutionelle Einzelausstellung als Künstler. Die Wahl fiel dabei bezeichnenderweise nicht auf Deutschlands Kunstmetropole Berlin, sondern auf Aachen. Unter neuer Leitung des Direktors Maurice Funken, öffnet sich der Kunstverein fortlaufend neuen künstlerischen Positionen. Im Klenkes-Interview spricht Lars Eidinger über die Entstehung der Ausstellung, wie der Künstler aus Widersprüchen Kraft schöpft und was Disco mit Einsamkeit zu tun hat.
Herr Eidinger, eigentlich kennt man Sie als Schauspieler – jetzt eine Kunstausstellung. Wie kommt’s?
Lars Eidinger: Ich sehe mich generell eher als Künstler. Die Schauspielerei ist nur etwas, an dem ich festhalte, weil ich mich dort am uneingeschränktesten ausdrücken kann. Aber ich habe schon immer auch eine Leidenschaft für Musik, Photographie und Malerei gehabt. Mich inspiriert auch ein Museums- oder Galeriebesuch in der Regel mehr, als wenn ich mir beispielsweise zur Vorbereitung auf ein Filmprojekt einen Film ansehe. Im Grunde geht es ja vor allem um Ausdruck und Kreativität. Ich habe für mich herausgefunden, dass ich umso mehr ich aus mir herausgehe, desto mehr komme ich bei mir an. In welchem Bereich ich mich ausdrücke, spielt dabei keine Rolle.
Und dann ausgerechnet in Aachen. Warum bloß?
Ich werde seit einem Jahr durch die Galerie Ruttkowski;68 vertreten, die meine Videoarbeiten zeigt. Der Galerist Nils Müller hat beim künstlerischen Leiter des NAK, Maurice Funken, eine Einzelausstellung meiner Werke angeregt. So kam es zustande.
Waren Sie überhaupt schon mal in Aachen?
Tatsächlich war ich vor ein paar Wochen das erste Mal in Aachen um mir die Räumlichkeiten des NAK anzusehen. Die Lage und der Ort selbst sind traumhaft schön.
Zurück zur Kunst. Was werden Sie im NAK zeigen?
Seit etwa fünf Jahren drehe ich Videos, die meist 5 Minuten lang sind und ohne Schnitt oder Schwenk auskommen. Ich drehe die Filme aus der Hand, ohne Stativ. Meist sind es Menschen, die aus der Welt gefallen scheinen. Skurrile oder poetische Momente des Alltags. Mich fasziniert, dass die Sequenzen nicht inszeniert sind und trotzdem einer in sich stimmigen Dramaturgie folgen. Mich interessiert dabei auch die Spieldauer der Videos. Eines meiner prägendsten Kunsterlebnisse hatte ich mit Yves Kleins „Monochrom Blau“. Darüber, dass es um eine Beziehung zwischen Bild und Betrachter geht. Ein Bild ist nicht zwingend, man kann sich ihm entziehen. Dennoch kann es einen verführen zu verweilen. Allerdings ist es abhängig davon, dass sich das Gegenüber darauf einlässt. Ich zeige meinen Blick auf die Welt und lade den Betrachter ein ihm zu folgen.
Ihr Credo ist „Die Widersprüche sind unsere Hoffnung“ nach Bertolt Brecht.
Ich suche in der Kunst immer nach dem Widerspruch, weil die Reibung Energie freisetzt aus der ich schöpfen kann. Durch Bertolt Brecht habe ich verstanden, dass Kunst keiner Logik folgt und der Widerspruch nicht das Ende eines Gedankens ist, sondern der Anfang. Er öffnet die Räume.
Werden Sie zur Vernissage der Ausstellung vor Ort sein?
Ich freue mich schon sehr auf die Ausstellung und werde selbstverständlich anwesend sein, auch und vor allem um die Reaktionen der Besucher zu sehen.
Titel der Ausstellung ist „Autistic Disco“. Gleichnamig ist Ihre Partyreihe. Logische Frage also: Gibt es auch eine Party im NAK?
Mir ist wichtig, dass es sich bei dem Begriff Autistic Disco nicht um den pathologischen Autismus handelt, sondern um das gesellschaftliche Phänomen der Störung im wechselseitigen sozialen Umgang und Austausch miteinander. Ich verstehe ihn vielmehr im Freudschen Sinne, der Autismus mit Narzissmus gleichsetzt. Autistic Disco ist ein Oxymoron, dass gemeinsame Einsamkeit thematisiert. Und ja, zur Eröffnung wird es auch eine Autistic Disco Party mit mir als DJ geben.
22.6.-11.8.
Eröffnung: 22.6., 19 Uhr
Lars Eidinger – „Autistic Disco“
NAK Neuer Aachener Kunstverein
neueraachenerkunstverein.de
Der NAK
Der Neue Aachener Kunstverein (NAK) wurde 1986 gegründet. Anfangs in Ladenlokalen in der Stadt untergebracht, war er 13 Jahre in der Rudolfstraße ansässig, bevor es 2001 in das heutige Gebäude im Aachener Stadtgarten ging. Übrigens gehört der NAK mit seinen 33 Jahren zu den jüngsten Kunstvereinen Deutschlands. Dennoch sieht sich der Verein mit seinen rund 500 Mitgliedern in der Tradition des Fluxus-Festivals, das 1964 an der Technischen Universität Aachen stattfand – der Antrieb des NAK ist das Engagement für die zeitgenössische Kunst und die Förderung der Gegenwartskultur. \
Der Direktor
Seit 2018 ist Maurice Funken Direktor des NAK. Beziehungsweise künstlerischer Leiter. Der 40-Jährige hat in Aachen und England Kunstgeschichte, Baugeschichte und Soziologie studiert. Bereits seit 2015 ist er im NAK tätig, zuvor als kuratorischer Assistent des damaligen Direktors Ben Kaufmann. Mit seinen bisher kuratierten Ausstellungsprojekten hat Maurice Funken den NAK Neuer Aacher Kunstverein bereits neu künstlerisch positioniert. Auf die letztjährigen Erfolgsausstellungen von Fischerspooner und Tim Berresheim folgt nun auch Lars Eidinger. \
Website Neuer Aachener Kunstverein
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