Von Verena Bodenstein
Tagtäglich rattern die Züge am Welthaus-Aachen vorbei. Das Gebäude ist schon etwas in die Jahre gekommen, doch für manche Aachener ist das Welthaus-Aachen an der Schanz 1 nicht wegzudenken. Es ist eine Institution, dessen Anfänge sich bis in die 80er Jahre zurückverfolgen lassen. Bereits damals wurde der Fokus auf Umweltschutz und globale Gerechtigkeit gesetzt. Im Welthaus-Aachen ist auch der Sitz des Eine Welt Forum, das sich in einem seiner Projekte mit den Aachener Nachhaltigkeits- und Klimaschutzinitiativen beschäftigt.
Seit den 80er Jahren hat sich viel getan, das „Dritte Welt Haus e.V.“ nennt sich heute einfach Welthaus-Aachen, doch das Thema der Umwelt und des Umweltschutzes ist immer noch ein Grundanliegen geblieben. 22 Schilder zieren derzeit den Eingang des Gebäudes und weisen den Besucher darauf hin, dass Weltoffenheit hier ganz groß geschrieben wird. Was viele der Vereine zurzeit verbindet, ist das Thema der Nachhaltigkeit. Keine Frage, die Demonstrationen der Schülerbewegung Fridays For Future haben die Wichtigkeit dieses Themas nochmal bei vielen Menschen auf den Schirm geholt, doch für das Welthaus-Aachen ist es bei weitem nichts Neues.
Eine der vielen Organisationen, die sich im Gebäude befindet, ist das Eine Welt Forum. Hier beschäftigt sich im Bereich der Evaluierung Madeleine Genzsch mit der Frage: Wie viele nachhaltige Vereine, Gruppen und Organisationen gibt es überhaupt in Aachen?
Madeleine Genzsch arbeitet an der Studie „We@AC – Gemeinsam.nachhaltig“, die eine Basis für die Vernetzung, Professionalisierung und Stärkung nachhaltiger Nichtregierungsorganisationen in Aachen schaffen möchte. „Am Ende der Studie sollen die verschiedenen Initiativen von den gesammelten Erkenntnissen profitieren und den größten Nutzen für sich und die nachhaltige Bewegung herausziehen“, das ist Genzschs wichtigstes Anliegen. In welcher Weise die festgehaltenen Erkenntnisse am Ende genutzt werden, dass obliegt den Bedürfnissen der Bewegung, denkbar ist beispielsweise eine Plattform für nachhaltige Initiativen oder ein gemeinsames Netzwerk. Das derzeitige Zwischenergebnis der Studie lässt Positives erhoffen. Bereits 180 nachhaltige Organisationen sind in und um Aachen zu verzeichnen, Tendenz steigend. „98 Prozent der bislang identifizierten Organisationen befinden sich nur in Aachen“, schildert Genzsch. „Wenn die Studie mit der Zeit noch weitere Kreise zieht und wir in der StädteRegion Aachen tiefer vernetzt sind, dann bin ich mir sicher, dass auch in der ländlichen Region weitere nachhaltige Organisationen identifiziert werden können.“
Madeleine Genzsch liegt ihre Studie sehr am Herzen. Vor einigen Jahren noch reiste die studierte BWLerin durch China. Ganze 15 Jahre arbeitete sie in der Wirtschaft und verhandelte mit Geschäftspartnern – auf Englisch und auf Chinesisch. Ihr Weg führte sie letztlich nach Aachen, wo sie für ein namenhaftes Kosmetikunternehmen das Asiengeschäft verantwortete. Doch eines Tages war Schluss. „Ich konnte einfach nicht mehr mit 20 Menschen darüber streiten, wie man am besten noch mehr Lippenstift verkaufen kann“, sagt sie heute. Ihr fehlte das Sinnhafte im Leben, noch dazu machten sich auch gesundheitliche Folgen bemerkbar. Also krempelte sie ihr Leben um, nahm daraufhin ein Sabbatjahr und gründete „Das Wandelwerk“, eine Initiative und Begegnungsort für Menschen, die sich für Nachaltigkeit interessieren und austauschen möchten. Schnell stellte sie fest, dass sie nicht mehr in ihr altes Leben zurück wollte.
Abschlusskonferenz
Auch das Wandelwerk wird in Genzschs Studie aufgeführt. Ende November 2020 soll die Studie fertig sein, mit einer großen Abschlussveranstaltung im Oktober 2020. Zu dieser Veranstaltung sollen dann Vertreter aller Gruppen eingeladen werden, die Teil der Studie sind. „Die Intention ist, zu identifizieren. Was sind die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppen, was bringt sie voran und welchen Hindernissen stehen sie von Zeit zu Zeit gegenüber?“, erklärt Genzsch. Dabei betont sie, dass die Studie hier nicht kategorisiert oder den Teilnehmern ein Stigma überstülpen möchte. Am Ende soll die Studie das Engagement der Organisationen aufzeigen. Das Nachhaltigkeitsthema mag vielleicht alle einen, doch im welchem Bereich sich die Organisationen nachhaltig einsetzen, das kann komplett unterschiedlich sein. So gibt es Gruppen, die sich für eine fahrradfreundlichere Stadt einsetzen, wie zum Beispiel Critical Mass oder Radentscheid Aachen. Ein nachhaltiges Anliegen. Doch vertreten die Teilnehmer der Stop-Tihange-Bewegung ebenfalls Nachhaltigkeit, indem sie gegen Atomkraft und vor allem gegen die Rissereaktoren Tihange und Doel protestieren.
Es geht mit Workshops weiter
Neben der Präsentation der Studienergebnisse soll der Wunsch nach Vernetzung innerhalb der Nachhaltigkeitsbewegung weiter gestärkt werden. Darüber hinaus sollen im Rahmen der Veranstaltung Workshops angeboten werden, die thematisch aus der Studie resultieren und die identifizierten Kernbedarfe der Vereine und Initiativen wiederspiegeln. Auch eine Zukunftswerkstatt, Reallabore oder eine moderierte Podiumsdiskussion sind denkbar, damit nachhaltige Projekte in Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Akteure aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung gelingen können.
NeNa Netzwerk Nachhaltiges Aachen
Eine kleine Übersicht nachhaltiger Institutionen bietet NeNa: Das Netzwerk Nachhaltiges Aachen. In diesem informellen Bündnis haben sich Vereine, Gruppen und Organisationen zusammengeschlossen, die sich für Umwelt-, Klimaschutz- und allgemeine Nachhaltigkeitsthemen einsetzen. Mit dabei sind unter anderem Aachen Unverpackt, Das Wandelwerk, Eine Welt Forum Aachen, Greenpeace Aachen, Hambi Support Aachen, Ingenieure ohne Grenzen, Misereor, Regionale Resilienz Aachen und SlowFood um nur einige der insgesamt 23 Organisationen zu nennen. Ein Mal im Monat präsentiert das Netzwerk Filme mit nachhaltigen Themen im Cineplex Aachen, unter der Leitung von Film- und Kulturwissenschaftlerin Birgit Esser. Seit letztem Jahr gibt‘s auch einen Stadtplan von Aachen im Wandel, der verschiedene nachhaltige Institutionen verzeichnet. Insgesamt um die 44 Anlaufstellen. Bis zur Veröffentlichung der „We@AC – Gemeinsam – Nachhaltig“-Studie im nächsten Jahr, sorgen die beiden Adressen für einen guten Nachhaltigkeitsüberblick. Und wer seine eigene nachhaltige Organisation in der Studie sehen möchte, sollte sich am besten bei Madeleine Genzsch melden. \
Zur Person
Madeleine Genzsch ist selbst in der Nachhaltigkeitsszene sehr aktiv. Neben ihrer Arbeit im Eine Welt Forum, engagiert sie sich als Vorstand bei Regionale Resilienz Aachen, einem an die RWTH angegliederten Verein, der sich mit klimapolitischen Fragestellungen auseinandersetzt und den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördert. 2017 gründete sie Das Wandelwerk, eine Initiative, die den Austausch zu Nachhaltigkeitsthemen fördert und zu nachhaltigem Verhalten motivieren möchte. Das nächste Stammtischtreffen findet am 16. Oktober um 18 Uhr im Café Juli statt. Interessierte sind herzlich eingeladen. \
Website „We@AC – Gemeinsam.nachhaltig“
WEITEREMPFEHLEN