Durchgestylt
Wir lassen uns die Tischreservierung telefonisch bestätigen, denn offenbar war die Anfrage zu spontan für die Onlinereservierung. Tatsächlich hätten wir am Dienstagabend auch ohne Reservierung einen Tisch gefunden, aber im Laufe des Abends füllte sich der großzügige Gastraum doch merklich, vor allem weil gleich zwei größere Gruppen anwesend waren.
Der Gastraum ist durch die umlaufenden großen Fensterfronten hell und freundlich, die Einrichtung ist modern - schlicht und elegant: schwarze Designstühle im Shakerstil und Sesselchen gruppieren sich um schwarze Rundtische, zu den kleinen, hellen Holztischen gehören hellgrau gepolsterte Stühle, einige Hochtische mit Hockern beleben den großen, offenen Raum, so dass unterschiedliche Inseln entstehen. Eine luftige Theke und die
offene, einsehbare Küche sorgen Transparenz und Einbindung von Küche und Service in das Geschehen.
Auch die Karten sind - wie alles im Boulevard 30 - raffiniert angelegt und durchgestylt. Wir entscheiden uns für Wantan, Hähnchen, Wokgemüse (7,50 Euro) und Gambas, Blumenkohlpüree, Chorizo (12,50 Euro) als Vorspeise. Auf großen, rechteckigen Tellern werden die sehr überschaubaren Vorspeisen gereicht, die aber geschmacklich ein erstes Ausrufezeichen setzen - die Wantan sind superknusprig und ihre Hähnchenfüllung erhält durch die dazu gereichte Reisessig-Koriander-Mischung die perfekte Note, die drei Gambas erhalten durch ein mildes, dennoch erdiges Püree und die kross gebratenen Chorizo-Chips den nötigen Dreh. Dazu harmoniert der offene Sauvignon Blanc vom Weingut Leplan Vermeersch (4,20 Euro/0,1 l), das als „Shootingstar an der Rhone“ gilt.
Als Hauptgerichte haben wir uns für die Maispoularde mit Oliven-Kartoffelstampf und Thymiankarotten (16,90 Euro) und die C + P Bowl (13,50 Euro) entschieden. Die Portionsgröße entschädigt für die überschaubaren Vorspeisen, sowohl die Maispoularde als auch die Bowl samt Brot sind vollwertige Hauptgerichte. Auch wenn die Bowl optisch etwas hermacht, bleibt sie geschmacklich eher fad, die Zuckerschoten haben ebenso wie die Mangostreifen nahezu keinen Eigengeschmack, auch der Couscous ist nur anwesend, ohne besonders geschmacklich aufzufallen. Allein das Teriyaki-Hähnchen ist zart und gut, wenn auch zurückhaltend, gewürzt, frischer Koriander und Sesamsamen bringen Geschmack und ein wenig Biss in den „Wildkräutersalat“, der vom Koch aus einer Plastiktüte in die Mis-en-Place-Schublade und vor dort in die Bowl gelegt wurde. Die Kehrseite der einsehbaren Küche.
Beim Dessert können wir uns nicht entscheiden, die Käse-Auswahl finden wir mit 11,50 Euro zu teuer, der Cheesecake (6,90 Euro) und die Dessert-Tapas (Pana cotta, Schokladenkuchen, Sorbet - 8,80 Euro) treffen gerade nicht unseren süßen Zahn, vielleicht beim nächsten Mal. Dann kommt auch das Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat und Preiselbeermarmelade (20,50 Euro) und der vegetarische Burger Melanesia mit paniertem Sellerie, Gemüse und Pommes frites „und dem üblichen Schnickschnack“ (9,50 Euro) auf die Wiedervorlage.
Mit dem Boulevard 30 hat Aachen auf jeden Fall eine neue gastronomische Landmarke, nur halt nicht in der Innenstadt, sondern in Melaten, der Retortenstadt an der niederländischen Grenze.
//Belinda Petri
Boulevard 30
Campus Boulevard 30
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RAND
NOTIZ
Der Campus Melaten ist die erste Ausbaustufe des RWTH Aachen Campus: auf einer Fläche von 473.000 m2 entstehen etappenweise elf Forschungscluster. Der Name Melaten leitet sich von „mal’ladre“, der Krankheit des Lazarus ab, im Mittelalter war das Gut Melaten Leprosorium, heute ist hier die Uniklinik der RWTH ansässig.
Der Artikel erschien zuerst im KLENKES 6/2019. Foto: Belinda Petri
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