Von Peter Hoch
Der tiefe Fall des Hollywoodmoguls Harvey Weinstein, der sich derzeit wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung von zwei Frauen vor Gericht verantworten muss und gegen den es dutzende weitere, aber verjährte Vorwürfe gibt, fachte 2017 eine weltweite Debatte um sexuelle Übergriffe durch Menschen in Machtpositionen an. Seitdem hat der Hashtag #MeToo fast alle Bereiche des Arbeitslebens erfasst, vom Lokalradio bis zur Stadtverwaltung. Zu neuen Taten wird es trotz aller Diskussionen und Maßnahmen kommen, und dennoch: Die erhöhte Sensibilität dürfte die Zahl der Vergehen zumindest etwas senken.
Was man außerhalb der USA aber kaum wahrgenommen hat: Schon ein Jahr vor der Demontage Weinsteins sorgte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein ganz ähnlicher Fall um den Fernsehproduzenten Roger Ailes für Schlagzeilen. Ailes hatte 1996 im Dienste des Medienkönigs Rupert Murdoch den stramm rechtskonservativen Nachrichtensender Fox News gegründet und als CEO zum erfolgreichsten im amerikanischen Kabelfernsehen gemacht. Doch im Sommer 2016 beschuldigten ihn mehrere ehemalige und aktuelle weibliche Beschäftigte, sie sexuell belästigt oder gar unter Androhung einer Kündigung oder ihres Karriereendes zum Oralsex gezwungen zu haben. Öffentliche Aufmerksamkeit bekam das vor allem, weil auch die populären Moderatorinnen Megyn Kelly und Gretchen Carlson zu den Opfern gehörten, die ihre Stimmen erhoben.
Deren durchaus ambivalenten Geschichten erzählt nun „Bombshell“ – im Englischen sowohl eine „Informationsbombe“, die hochgeht, als auch ein Machobegriff für eine extrem attraktive Frau – und stützt sich dabei auf ein Drehbuch von Charles Randolph („The Big Short“). Charlize Theron, die für ihre Darstellung Kellys eine Oscarnominierung erhielt und den Film auch koproduzierte, und Nicole Kidman als Gretchen Carlson, gleichen ihren realen Gegenstücken dank eines grandiosen Make-ups so weit wie möglich, glänzen aber vor allem, weil sie auch die Grauzonen in deren Handeln zum Vorschein bringen. Die eindringlichste Figur spielt jedoch, ebenfalls für den Oscar nominiert, Margot Robbie. Ihre Kayla Pospisil ist zwar ein fiktiver Charakter, der verschiedene echte Personen in sich vereint. Ihre Schlüsselszene im Büro des ebenso großzügigen wie manipulativen Roger Ailes (kaum zu erkennen: John Lithgow) dürfte aber hoffentlich bei jedem Zuschauer die redensartliche Galle hochkommen lassen und Verständnis und Interesse für das Filmthema mit all seinen komplexen Facetten wecken. \
AM RANDE
Die Minserie „The Loudest Voice“ handelt von Roger Ailes’ Aufstieg und Fall bei Fox News, dargestellt wird er hier von Russell Crowe, während Naomi Watts Gretchen Carlson spielt. Um Macht und Machtmissbrauch in der Medienbranche geht es auch in den fiktiven Serien „The Morning Show“ mit Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell und „Succession“, deren zweite Staffel Anfang Januar zwei Golden Globes gewann: für die beste Dramaserie und Brian Cox als besten Hauptdarsteller. \
„Bombshell – Das Ende des Schweigens“
USA/CDN 2019 // R: Jay Roach
Start: 13.2. | 110 Minuten | FSK 12
Bewertung der redaktion
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