„Du wirst nicht dafür belohnt, dass Du alles richtig machst.“ Ein Satz, der gleich am Anfang fällt. Würde man immer alles richtig machen, könnte man nicht bleiben. Immer ein paar Scheine in den Pass zu legen, wenn man an eine Polizeikontrolle kommt, das ist üblich. Die Polizisten spielen da mit. Alle acht Wochen einen Autohandel durchziehen, ist okay. Auf keinen Fall öfter, das wäre zu riskant. So zumindest läuft das Szenario am Theaterim Stück „Illegal“ ab. Außerdem: Leberkäse ist billig und macht satt. Und krank.
Spielregeln an die sich die „Illegalen“ halten, die ihnen ein neues Leben ermöglichen: ein unsichtbares, eines ohne Probleme. Und doch ist ihr Alltag von Ängsten bestimmt, keine Krankenversicherung zu haben, kein Bankkonto. Und von ihrer Arbeit für uns. Sie sind unsere Putzfrauen, Küchenhilfen, Bauarbeiter und Pflegekräfte. Sie bemühen sich, unsere Sprache zu lernen. Sehen unser Leben. Für ihr Leben interessieren wir uns nicht. Und das obwohl wir sie tagtäglich sehen – bei der Arbeit, auf der Straße, im eigenen Haus. Sie erzählen uns nicht, woher sie kommen. Wer sie früher waren, bevor sie zu den „neuen Menschen“ wurden. Sie waren Lehrer, Studenten und Au-Pairs.
Drei Schicksale, ein Problem
Sie dürfen ihr Leben nicht so führen, wie sie es gerne möchten. Eine junge Frau (Emilia Rose de Fries) rät, auf keinen Fall ein Kind zu bekommen. So ist man eh schon ein „Nichts“, als Frau mit Kind zweimal „Nichts“. Sie hastet von einer dubiosen Arbeitsstelle zur anderen, von einer zukunftslosen Liebschaft zur nächsten.
Sein Leben bezeichnet er (Felix Strüven) als ein gutes. Viele Frauen, viele Partys. Die Arbeit ist auch nicht so schlecht. Mal bei einem Umzug helfen, als Gärtner arbeiten oder als Dolmetscher. Immerhin spricht er vier Sprachen fließend. Und immerhin ist er in München gelandet, nicht in Berlin. München hat mehr Style. In einer Band brüllt er sich die Ängste von der Seele.
Der dritte Schicksalsgenosse (Martin Maria Eschenbach) hat lange gewartet, bis die Justiz über sein Leben entscheidet. Jeden Tag hätte der rosa Brief kommen können. Also lieber illegal den einfachen Traum des Studierens leben. Nun haust er in einem kleinen, fensterlosen Zimmer. Kennt den Weg bis zur Uni und zurück. Alle paar Wochen per Anhalter zur Meldestelle. Übernachten auf Raststätten.
Helfer vor Ort wie eine Frau der Caritas (Elisabeth Ebeling) trauen den Vollstreckern des Gesetzes nicht mehr, die sich hinter den Stacheldrähten und Normen verschanzen. Die einen unbringbaren Nachweis für Folterungen einfordern. Und sie sieht, wie die Angst vor der Abschiebung die Betroffenen immer weiter in die Gefahr bringenden Randzonen drängt.
Alte Strukturen, neue Welt
Regisseurin Katja Blaszkiewitz braucht nur vier Schauspieler, um die Welt der Illegalen auf die Bühne zu bringen. Vor den dunklen Wänden schaukeln die Darsteller auf einzelnen Brocken. Jeder sitzt für sich alleine auf seiner Insel. Oder in seinem Unterschlupf. Hat sein eigenes und doch gleiches Schicksal. Drei verschiedene Geschichten, die die Ströme von Zuwanderern zeigen, die die unausweichliche Ära der globalisierten Vernetzung mit sich bringt. Während wir noch auf unseren eingegrenzten Grundstücken im eingegrenzten Europa sitzen, sind sie längst da. Immer wieder leuchten helle Spots auf, sie sagen: „Hinschauen, sie sind längst da!“ Die neuen Menschen der neuen Welt. Wir sind von gestern, wenn wir sie nicht sehen. \ Christina Rinkens
12., 24. + 26.6.
„Illegal“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
INFO AM RANDE:
Als Teil des Theaterabends werden im Anschluss an das Stück in Zusammenarbeit mit Initiativen und städtischen Einrichtungen Aachener Aspekte zur Flüchtlingsthematik auf die Bühne gebracht. Beginn ist jeweils nach der Vorstellung, ca. 21.15 Uhr. Man kann auch nur zu der Diskussionsveranstaltung kommen, die ebenfalls in der Kammer stattfindet.
Termine im Juni 2015:
12.6.
Ingeborg Heck-Böckler – Amnesty International; Save-me-Kampagne
Außerdem werden die beiden Kurzfilme von und mit jugendlichen Flüchtlingen in Aachen, „Wie geht Deutschland?“ und „Eine Banane für Mathe – Angekommen in Deutschland“, gezeigt.
24.6.
Uwe Schlüper und Juliane Hoppe – Café Zuflucht
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