Man weiß nicht, wie viele Premierenbesucher von „Adams Äpfel“ auch den gleichnamigen Film des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen kennen. Die Inszenierung von Sebastian Martin braucht den Vergleich in keinster Weise zu scheuen: Die vielen turbulenten Szenen und der schwarze Humor haben auf der reduzierten Bühne der Kammer noch viel mehr Raum, das Stück gewinnt gegenüber der filmischen Vorlage noch an Witz, Spritzigkeit und Rasanz.
Der Inhalt ist schnell erzählt: Ein evangelischer Pfarrer namens Ivan betreut ehemalige Knastis bei ihrer Resozialisierung. Als unverbesserlicher Optimist und radikaler Gutmensch hat ihm Regisseur und Drehbuchautor Jensen jedwede Prüfung im Leben auferlegt: Tod der eigenen Mutter bei seiner Geburt, Missbrauch durch den Vater, Schwerstbehinderung des Sohnes, Tod der geliebten Frau. In seinem Kopf wächst ein riesiger Tumor heran und lässt ihm nur noch wenig Lebenszeit.
In diese „Idylle“ eines dänischen Pfarrhauses platzt der Neo-Nazi Adam. Auf die Frage Ivans, welcher therapeutischen Aufgabe er sich stellen möchte, antwortet Adam sarkastisch, einen Apfelkuchen backen zu wollen. Ivan nimmt ihn in diesem Vorhaben völlig ernst. So rahmt der Apfelbaum – natürlich in Anspielung an den Baum der Erkenntnis – thematisch die Handlung.
Angelehnt an das biblische Buch Hiob stellt Adam den Pfarrer vor einige weitere Prüfungen, die nicht selten mit viel Blut und Nasenbrüchen enden und beweist ihm, dass Ivan nicht gegen die Verführungen des Teufels kämpft, sondern dass Gott selbst ihn mit diesen Schicksalsschlägen prüft.
Das alles ist inszeniert als gallige Farce mit bewusst überzeichneten Charakteren, in dem alle Schauspieler – teils in Doppelrollen – glänzen. Vor allem Karl Walter Sprungala als Ivan, Thomas Hamm als riesenbabyhafter Alkoholiker, Dieb und Vergewaltiger Gunnar, Ognjen Koldzic als schlauer Adam und Torsten Borm als zynischer Krankenhausarzt überzeugen. Die mit schierer Durchgeknalltheit spielende Melina Pyschny gibt als Tankstellen ausraubender Khalid Kaugummi kauend in stakkatohaftem Schwyzerdütsch dem Stück zusätzlich eine enorme Schlagkraft und witzige Präsenz. Nicht zu vergessen die schwangere Alkoholikerin Sarah (Elke Borkenstein), der im Sterben liegende ehemalige KZ-Kapo Nordkap (Günther Oschmann), sowie eine Reihe Baseballschläger schwingende Neonazis (hier Elke Borkenstein in ihrer zweiten Rolle am Abend).
Wer wissen will, wie das alles mit schwarzen Raben, toter Katze, einem vom Blitz gefällten Apfelbaum und explodierendem Elektroherd zusammengeht (Bühne und Kostüme: Kaja Bierbrauer), der kommt um den Besuch dieser empfehlenswerten Erlösungsparabel nicht herum. Zartbesaitete Gemüter seien allerdings vorgewarnt. \ rm
8.+19.2.
„Adams Äpfel“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
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