„Tri Karty“ – drei Karten: die Drei, die Sieben und das As. Sie werden für Herrmann zur Obsession. Sie sollen ihn, einen deutschen Außenseiter in Russland, mit seiner von der Regie angedichteten Vergangenheit als Kindersoldat und einem schwerwiegenden Minderwertigkeitskomplex gegenüber seiner Angebeteten Lisa endlich auf die Siegerstraße führen, ihm zu Wohlstand und Anerkennung verhelfen. Dieser Besessenheit ordnet er alles unter, sogar seine Liebe zu Lisa, die für ihn sogar ihre Verlobung mit dem wohlhabenden Fürsten Jeletzkij aufgelöst hat. Die Katastrophe ist unausweichlich. Sie nimmt ihren Lauf, als Hermann bei dem Versuch, Lisas Großmutter, der alten Gräfin, das von ihr gehütete Geheimnis der drei Karten zu entreißen, die den sicheren Gewinn in der Spielbank versprechen, und hierbei ihren Tod verursacht.
Nichts Geringeres als eine „russische Carmen“ sollte es werden, wenn möglich, noch etwas prachtvoller, lautete die Vorgabe des Direktors der Sankt Petersburger Oper an Tschaikowsky, der in einem Kraftakt von gerade einmal 40 Tagen die Partitur für seine „Pique Dame“ zu Papier brachte. Das Libretto hatte ihm sein Bruder Modest geliefert, der hierzu auf eine gleichnamige Erzählung Alexander Puschkins zurückgegriffen hatte.
Zur Premiere der Neuinszenierung am Aachener Theater hatte Sturmtief Sabine den Westen der Republik kräftig durcheinander geweht, sodass leider einige Zuschauer der Empfehlung der Wetterdienste gefolgt waren, den Abend zu Hause zu verbringen. Nun, die Wagemutigen, die den Weg ins Theater gefunden hatten, wurden nicht enttäuscht. Sie erlebten vor allem einen musikalischen Hochgenuss durch ein von GMD Christopher Ward exzellent eingestelltes Sinfonieorchester, das einen tiefen Blick in das russische Gemüt der Komposition eröffnet. Musikalisch überzeugend ist auch, was sich auf der Bühne abspielt. Dies gilt in erster Linie für die Gesangssolisten, allen voran Cooper Nolan als Hermann, der über eine sehr angenehme, baritonal gefärbte Tenorstimme verfügt. Gefallen findet auch der kristallklare Sopran von Larisa Akbari, die sich schon häufiger als Gast in Aachen empfehlen konnte und auch für die Partie der Lisa eine vortreffliche Wahl war.
Bemerkenswerte Leistungen zeigen auch die weiteren Solisten auf der langen Besetzungsliste. Ronan Collett als Jeletzkij mit der wunderschönen Arie Ja vas lyublyu, Hrólfur Saemundsson als Tomski, Soon-Wook Ka als Tschekalinskij und mit profunder Tiefe der Mezzosopran von Fanny Lustaud als Pauline. Opernchor, Extrachor und Kinderchor wurden in gewohnt erstklassiger Weise von Jori Klomp einstudiert und präsentieren sich ebenfalls in vorzüglicher Qualität.
Auch fürs Auge hat die Inszenierung unter der Regie von Ewa Teilmanns einiges zu bieten. Das von Elisabeth Pedross gestaltete Bühnenbild erinnert in seiner Schlichtheit zwar etwas an rigipsplattengrüne Kartonage. Doch dies lenkt den Blick ungehindert auf die außerordentlich kreativen, von Andreas Becker gestalteten Kostüme. Durch eine im Bühnenbild angelegte zweite Spielebene gelingt es, die zahlreichen Akteure in der Vertikalen zu präsentieren, wodurch bildgewaltige Eindrücke entstehen. Diese sind es, die nachwirken und wodurch die Inszenierung besticht. Gleiches lässt sich leider für die Personenführung nicht attestieren. Insbesondere die Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren bleiben auf merkwürdige Weise im Ungefähren. Und auch die laut Programmheft sehr ambitioniert angelegte Psychologisierung der Charaktere ist in der szenischen Umsetzung kaum wahrnehmbar und lässt den Betrachter etwas ratlos zurück.
In der Summe überwiegen aber doch die positiven Aspekte der Neuinszenierung. Und bis zum 7. Mai gibt es noch weitere Aufführungen in denen Sturmgeplagte das Versäumte nachholen können. \ uh
8.+11.3.
„Pique Dame“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
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