Das Grenzlandtheater macht eine 180-Grad-Wende: Da ist eben noch Karina Kettenis als Eliza Doolittle in „My Fair Lady“ über die Bühne getänzelt, wurde auf den Rängen herzhaft gelacht über Doolittles schlitzohrigen Vater Alfred und freuten sich die Zuschauer schließlich über das Happy End des Musicals, so gibt es in der neuen Produktion schwere Kost statt leichtem Spiel.
Wobei: Musik spielt im Zwei-Personen-Stück „Enigma“ unter der Regie von Daniel Kuschewski wie auch bei „My Fair Lady“ eine Rolle – wenn auch auf andere Weise. Auf einem Plattenspieler werden die Enigma-Variationen des britischen Komponisten Edward Elgar abgespielt, die der Forschung bis heute ein Rätsel aufgeben: Laut Elgar zieht sich durch die Komposition ein nicht gespieltes, größeres Thema als das seinige.
Und auch bei der Auseinandersetzung der beiden Protagonisten im Stück des französischen Dramatikers Éric-Emmanuel Schmitt, dem Streit zwischen dem erfolgreichen Schriftsteller, aber auch arroganten Misanthropen Abel Znorko (Volker Weidlich) und dem undurchsichtigen Journalisten Erik Larsen (Timo Hübsch), wird bald klar, dass eine nicht persönlich in Erscheinung tretende dritte Person eine gewichtige, ja sogar die zentrale Rolle spielt.
Mit einem Schuss, der durchs Grenzlandtheater hallt, beginnt das Aufeinandertreffen von Znorko und Larsen. Der Schriftsteller und Literaturpreisträger gewährt dem Journalisten einer kleinen Lokalzeitung ein seltenes Interview, lädt ihn dazu auf eine einsame norwegische Insel ein und schießt prompt auf seinen Gast. Mit Menschen und vor allem fremden Menschen hat er es nicht so. Nur einer Frau hängt sein Herz nach.
Genauso übersichtlich wie die Besetzung des Stücks ist auch das spärlich ausgestattete Bühnenbild, in dessen Zentrum die bewegliche Fassade von Znorkos Holzhütte steht. Die Schauspieler schieben und ziehen sie bisweilen nach hinten und vorne, schaffen so ein Draußen und Drinnen und damit neue Perspektiven – so, wie sich auch die Konstellation und das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Charakteren ändert.
Im Verlauf der Gespräche erfährt der Theaterbesucher immer mehr über sie, ihre tatsächlichen Absichten hinter dem Treffen und vor allem, dass nichts so ist, wie es anfangs erscheint – ja mehr noch: dass die beiden Männer viel mehr miteinander verbindet als zunächst angenommen. „Enigma“ ist ein fesselndes Kammerspiel mit starken Schauspielern, die für ein wortgewaltiges Aufeinandertreffen zweier Männer sorgen, die ihre eigenen Pläne verfolgen und den Zuschauer aufs Neue rätseln lassen, ehe sich die schmerzvollen Enthüllungen Bahn brechen. \ tim
1.-12.3.
„Enigma“
20 Uhr, diverse Orte
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