Von Kira Wirtz
Der Familie Hartmann stehen turbulente Zeiten bevor, als Mutter Angelika nach dem Besuch eines Flüchtlingsheims beschließt, einen Flüchtling bei sich aufzunehmen. So ist es im Film aus dem Jahre 2016 von Simon Verhoeven. Das Das Da-Theater hat sich das immer noch aktuelle Thema für den Februar 2022 auf den Spielplan geholt und eine aktuelle Theaterfassung daraus gemacht. Und natürlich geht es um noch viel mehr als die Flüchtlingsthematik. Dass es eine Filmkomödie geworden ist, die Tom Hirtz, Leiter des Das Da-Theaters, auf den Spielplan genommen hat, hat mehrere Gründe. „Wir suchen für unser Theater immer nach Stücken mit Relevanz. Ohne Tragik, aber mit Unterhaltung“, erklärt er. Zur Relevanz: 2015 kamen rund 890.000 Flüchtlinge aus Syrien, was Verhoeven sicherlich zu seinem Film bewegt hat. Im Jahr 2022 sind über eine Million Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Das hat Hirtz zum Anlass genommen, das Stück gerade jetzt auf die Bühne zu bringen. Dass es sich nun um weiße Europäer handelt, die um Asyl bitten, hat er in seine Inszenierung aufgenommen. Zur Unterhaltung: Es geht in „Willkommen bei den Hartmanns“ um noch einiges mehr. Humorvoll werden wir Familienvater Richard kennenlernen, der Probleme mit dem Altern und dem Gutmenschsein seiner Frau Angelika hat. Die wiederum ist auf Sinnsuche nach ihrer Pensionierung. Tochter Sofie möchte keinesfalls das geregelte Leben ihrer Eltern führen, und studiert mit Anfang 30 Psychologie – zum Ärger des Vaters. Ihr Bruder Philipp ist beruflich auf der Überholspur, arbeitet als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, hat aber private Probleme: Der Burnout steht kurz bevor, die Scheidung läuft und Sohn Basti leidet unter emotionaler Vereinsamung. Und bei einem Familienessen verkündet Angelika, dass sie den Flüchtling Diallo aufnehmen wird. Das Chaos ist perfekt, die Lacher lassen nicht lange auf sich warten. Aber Vorsicht: Der ein oder andere Lacher wird im Halse stecken bleiben. Nicht immer politisch korrekt oder für die Familienidylle förderlich wird hier kein Blatt vor den Mund genommen. Für das Bühnenbild hat Frank Rommerskirchen ein Symbol gefunden, das über allem steht. Ein riesiges Euro-Zeichen steht auf blauem Boden. Denn allen Beteiligten geht es, wie so häufig, ums Geld. Allerdings ist das Euro-Zeichen modular. „Es sind Elemente auf Rollen, die durch die ein oder andere Verschiebung neue Bilder generieren werden“, erklärt Hirtz. Hier wird nicht auf Realismus gesetzt; beim Kostüm allerdings schon. Jeder Darsteller wird Alltagskleidung seinem Status entsprechend tragen. „Ich brauche echte Menschen im Raum, der artifiziell ist. Das haben wir bei einigen Produktionen so gemacht.“ Und mit noch einer Sache fährt Hirtz gut. Mit seinem Ensemble. Anders als im Film werden nicht einzelne Darsteller in den Fokus gerückt, sondern das ganze Team. „Im Film ist es immer schwer, sich mit einer Person zu identifizieren, die durch alte Rollen in ein Schema gedrängt wird, oder wenn zwei Namen den Rest der Besetzung verdrängen. Das ist bei uns anders. Hier ist jeder gleich wichtig, keiner aus dem Ensemble wird einzeln gepusht. Es ist wie beim Fußball. Zwar schießt nur einer ein Tor, elf Leute sind aber nötig, damit es überhaupt dazu kommt.“ Das ist übrigens auch der Grund, warum es am Ende der Stücke auch keinen Einzelapplaus für die großen oder kleinen Rollen gibt. Das Team zählt. So wird es auch bei „Willkommen bei den Hartmanns“ sein. Feste Ensemblemitglieder spielen neben Gästen, manche haben mehr Text, andere weniger, doch alle sind gleichwertig. Ein schöner Rahmen – auch zum Stück. Wer hat das Recht, über das Leben oder den Lebensinhalt eines anderen zu entscheiden, woher kommt der Druck nach Anerkennung, Geld und Status? Und wie verliert man das Wichtige nicht aus den Augen? Das alles – gepaart mit viel Witz und einer Menge Sarkasmus – gibt es dann auf der Bühne in der Liebigstraße. 23., 24., 25.+26.2. „Willkommen bei den Hartmanns“ 20 Uhr, (26.2. – 18 Uhr) Das Da-Theater www.dasda.de
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