Nein, ein Kinderstück wird das hier nicht werden. Eher eine moritatenhafte Musicalwelt, angesiedelt irgendwo zwischen Zirkus und Gothic-Horror. „Eine Revue oder ein Liederabend trifft es eher als ein Musical. Dafür ist das Stück viel zu akustisch“, räumt von Treskow ein. Und es sei poetisch. Eine Gossenpoesie gepaart mit Punk ohne elektrische Gitarre. Die fünfköpfige Band unter Leitung von Malcolm Kemp, die man schon aus der „Lazarus“-Inszenierung kennt, spielt alle Stücke live, die Schauspieler singen. In Englisch, mit deutschem Untertitel. Die Geschichte bezieht sich nur am Rande auf die Kinderbuchvorlage des Psychiaters Dr. Heinrich Hoffmann. Dennoch geht es um Kinder, die allesamt rebelliert, gezündelt und gezankt haben. Motive aus dem „Struwwelpeter“ verarbeiteten Julian Crouch und Phelim McDermott in den 90ern zur sogenannten Junk-Oper. Die Musik komponierte Martyn Jacques, Gründer der Londoner Kultband „The Tiger Lillies“. Und den Stoff schnappte sich jetzt von Treskow, um seine Version der kleinen Systemsprenger, die fröhlich ihre Suppe nicht essen, am Daumen lutschen und auf Stühlen zappeln dürfen, zu inszenieren. Denn: „Alle Kinder sind schon tot und kehren auf die Bühne zurück, um uns von ihrem Tod zu berichten. Es ist so grotesk was da passiert, dass man lachen muss“, erklärt der Regisseur. Man könne auch nicht wegschauen, wie bei einem Unfall. Und schwarzer Humor sei noch Mal ein besonderer. „Man lacht, wenn man etwas nicht erwartet. Und genau das wird in „Shockheaded Peter“ geschehen“, prophezeit von Treskow. Und endet bei Hoffmann so manche brutale Geschichte nicht tödlich, überlebt in der Junk-Oper niemand. Hier trifft 150 Jahre alte und veraltete Pädagogik auf britischen Humor. „Das Stück macht Lust auf ein bisschen Gruseln. Aber auch das Verständnis am Freigeist der Kinder. Das Makabre daran ist die Faszination am Untergang genau derer.“ Die Inszenierung wird passend zu Musik und Inhalt ein Mix aus poppig-bunt und schwarz-weiß, aus Ballade und Rock Song. Tommy Wiesner führt in seiner Rolle als „Shockheaded Peter“ wie ein Conférencier durch den Abend, macht das Stück dadurch noch mehr zu einer Revue. Die anderen Darsteller schlüpfen in unterschiedliche Rollen, sind mal Mini-Anarchos, dann Skelette, Fische, Hunde oder Katzen. „Es wird krude. Aber nie ernst gemeint!“ Christian von Treskow ist als Regisseur seit vielen Jahren dem Theater Aachen verbunden, inszenierte dort unter anderem „Der Prozess“, „Warten auf Godot“, „Die Physiker“ oder „Lazarus“. Immer wieder verlangte er seinen Schauspielern einiges ab, erntet dafür aber auch jede Menge Applaus. Mit der Junk-Oper verabschiedet er sich beim Intendanten Michael Schmitz-Aufterbeck und Chefdramaturgin Inge Zeppenfeld, die ihn in den letzten Jahren immer wieder ans Haus holten. Und dafür wird jetzt nochmal alles gegeben: bunt, schrill, poetisch, grotesk. „Würden wir „Shockheaded Peter“ nicht am Theater Aachen machen, würde ich sagen, ist das Stoff für eine Tim Burton Verfilmung.“ Tja, Tim Burton, Pech gehabt. Da war das Theater Aachen schneller. Aber wenn Sie Tipps brauchen, können Sie sicherlich bei Christian von Treskow anrufen. // Kira Wirtz 14.+20.1.2023 „Shockheaded Peter“ 19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
Am Rande Inszenierung: Christian von Treskow Musikalische Leitung: Malcolm Kemp Dramaturgie: Reinar Ortmann Bühne und Kostüm: Dorien Thomsen und Sandra Linde Shockheaded Peter/Conferencier: Tommy Wiesner Conrad u.a.: Bettina Scheuritzel Frederick u.a.: Benedikt Voellmy Harriet/Robert u.a.: Tina Schorcht Alexander Wanat Jäger/ Johnny u.a.: Alexander Wanat Bully Boys/Fidgety Phil u.a.: Philipp Manuel Rothkopf Augustus u.a.: Elke Borkenstein
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