Von Kira Wirtz
Johanna d’Arc: eine junge Frau, die ihren Idealen folgt und in göttlicher Mission ihr Land – Frankreich – zum Sieg über die Engländer führen will. Nach einem glänzenden Aufstieg wird sie letztendlich nach einem Inquisitionsprozess als Hexe verbrannt wird. Sie steigt postum zur Nationalheiligen Frankreichs auf und wird 1920 heilig gesprochen. Schiller hingegen erspart ihr den Scheiterhaufen und macht sie zur Liebenden und Heiligen, die im Kampf selbst das Schwert schwingt, nicht nur die „heilige“ Fahne.
Auch heute gibt es sie noch, die kriegerischen „Jungfrauen“, die vielleicht nicht mehr mit Schwert und Schild in einen Krieg ziehen, sich aber für ihre Überzeugungen und Ideale den protzigen Entscheidungsträger*innen und Meinungsmacher*innen entgegenstellen. Frauen, die polarisieren, die man entweder hasst oder liebt, bewundert oder verabscheut.
Die starke, selbstbewusste Frau, die in Johanna steckt, wollen Regisseurin Sarah Klöfer und Dramaturgin Vivica Bocks in ihrer Inszenierung von Schillers „Johanna von Orléans“ am Theater Aachen zeigen. „Johanna von Orléans ist schon immer Projektions-Fläche. Es gibt den Mythos und die reale Person Jeanne d’Arc. Mal ist sie Feministin, progressive Frau, Wahnsinnige, Nationalistin und Gottesfürchtige. Es kommt drauf an, aus welcher Zeit heraus man sie beobachtet.“ Und den Blick haben Klöfer und Bocks clever gewählt. „Das Jahr 2020 lässt natürlich eine andere Sicht auf Johanna zu als zu Schillers Zeiten“, erklärt Klöfer und lässt den „Greta“-Vergleich aufkommen. „Greta Thunberg hat in meinen Augen etwas Johanna-eskes, das ich gerne aufgreifen möchte. Zum Beispiel die Frage, was löst dieses Phänomen aus, dass Menschen einem jungen Mädchen folgen, einer Frau, die sich für ihre Ideologie einsetzt und derart polarisiert. Es gibt für mich eine Art Johanna-Prinzip, was sich immer wiederholt.“ Bocks ergänzt: „Im Stück geht es genau wie in Schillers Vorlage von 1801 nach wie vor um einen Krieg und nicht um die Klimadebatte, dadurch bekommt es eher einen Parabel-Charakter.“
Schillers Johanna hat eine göttliche Vision von etwas und bis zu einem bestimmten Knackpunkt, hält sie daran fest. Bis dahin ist sie überzeugt von ihrer Aufgabe. „Es ist mehr als eine Vision. Sie weiß, dass es ihre Bestimmung ist, und an der gibt es nichts zu Rütteln“, so Bocks. „Das verleiht ihr die Stärke, die die anderen bewundern, und das ist vielleicht neben inhaltlichen Gründen einer der Gründe, warum man ihr überhaupt folgt.“ Ob in die Schlacht oder auf den Klimagipfel.
Und obwohl Schiller das Stück vor über 200 Jahren schrieb, ist auch die Sprache weder altbacken noch weltfremd. „Schillers Worte wirken jederzeit frisch und manchmal so modern, dass man sich fragt: Das hat der doch nicht vor 200 Jahren so geschrieben“, begeistert sich Bocks. Aus der kompletten Vorlage haben Bocks und Klöfer eine eigene, rund zweistündige Version gemacht. „Manche Passagen sind für unsere Inszenierung einfach redundant, da haben wir uns die Freiheit genommen, Stellen zu streichen. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Inszenierungen haben wir die drei weiblichen Rollen drin gelassen.“ Denn „Johanna von Orléans“ beinhaltet nicht nur die Titelheldin, die einen Kampf gegen übermächtige Männer führt. Noch zwei weitere Damen kämpfen mit den Regeln des Spiels, in dem sie sich befinden, beziehungsweise schaffen sich ihre eigenen Regeln, innerhalb der Gesellschaft in der sie sich bewegen.
Und genau dieses Spielprinzip greift Klöfer in der Inszenierung auf. „Bühne und Kostüm zeigen eine Art Spielwelt, inklusive sakralem Bau, der eher einer überwucherten Ruine gleicht“, beschreibt die Regisseurin. „Es könnte nach einem Weltkrieg oder einer Klimakatastrophe sein. Es ist eine Spielrealität, die allgemeine Gültigkeit hat.“ Johanna nimmt wie von außen an dieser Welt teil, beobachtet, taucht immer wieder ein, doch kann sie den Verlauf des Spiels beziehungsweise der Geschichte nicht ändern. „Das ist für sie die Krux,“ sagt Klöfer „Das Spielprinzip „Johanna“ führt letztlich immer zum Scheiterhaufen oder zur Himmelfahrt.“ Dennoch: Für Bocks und Klöfer ist klar, dass sie ein starkes, emanzipiertes Rollenbild zeigen wollen. \
7., 15., 20.+28.3.
„Die Jungfrau von Orléans“
diverse Uhrzeiten, Bühne, Theater Aachen
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
WEITEREMPFEHLEN