Nach einer Pause von 18 Jahren veröffentlichte das Quintett kürzlich das Comeback-Album „Sich fügen heißt lügen“. Es ist dem 1934 im KZ Oranienburg ermordeten deutschen Dichter und Anarchisten Erich Mühsam gewidmet. Olaf Neumann sprach mit Sänger Dirk Jora und Gitarrist Christian Mevs über Punk in der heutigen Zeit und ihr Idol Rio Reiser.
„Sich fügen heißt lügen“ – könnte man mit diesem Satz von Erich Mühsam das Credo dieser Band beschreiben?
Christian Mevs: Ja, das passt irgendwie zu uns. Unser Ziel war jedoch nicht, dass sich Slime dem Oeuvre von Erich Mühsam widmet, sondern wir wollten eine neue Slime-Platte machen. Mühsam ist bei uns schon lange präsent. Ein Stück wie „Freiheit in Ketten“ klingt tatsächlich wie ein typischer Slime-Song. Ein Mühsam-Text wie „Wenn die Banker über Leichen gehen“ klingt aus heutiger Sicht geradezu prophetisch.
Christian: Letztendlich haben sich die Verhältnisse in bestimmen Dingen einfach nicht geändert. Natürlich kann man dann sagen, Erich Mühsam ist ein Prophet. Die Entwicklung hat dazu geführt, dass dies einer seiner aktuellsten Texte überhaupt ist. Er selbst hat sich aber sicher nicht als Prophet gesehen. Können Ihre Fans mit einem Namen wie Mühsam überhaupt etwas anfangen?
Dirk Jora: Spätestens dann, wenn sie das neue Album hören. So einfach ist das. Wir haben uns immer als eine politische Band begriffen. Du löst ja direkt keine Revolution aus, die Leute gehen ja nicht morgen früh los und versuchen, die Räterepublik auszurufen. Wir haben immer Entwicklungen und Denkprozesse angestoßen. In diesem Rahmen ist auch dieses Album zu sehen. Mühsam passte von seinen Inhalten zu uns wie wir zu ihm. Und er hat auch gern einen getrunken, mithin das Leben gelebt.
Die Punk-Kultur ist längst in den Mainstream übergegangen. Was ist Punk heute?
Christian: Punk ist vor allem eine Haltung. Punk ist bereits 1979 in den Mainstream übergegangen. Es gab damals auch schon Kataloge, in denen man die richtigen Klamotten bestellen konnte. Aber es gab auch Bands, die die mit Punk verbundene Haltung in Musik gegossen haben. Nehmen wir einfach mal The Clash, die Ramones oder die Stooges. Das war einfach geil. Heute ist es eigentlich genau das gleiche, nur ändern sich die Vorzeichen und die Gegner ständig. Deswegen ist es heute nicht mehr so einfach zu sagen: „Ich bin das und ich bin gegen das“.
Dirk: Punk ist heute noch viel weniger eine Frage des Outfits, sondern noch viel mehr eine Frage der Einstellung. Slime galten immer als Deutschlands Politpunkband Nummer 1 und als legitime Nachfolger von Ton Steine Scherben.
Sehen Sie sich selbst in der Tradition der Scherben?
Dirk: Ja natürlich. Wir gehören zwar nicht derselben Generation an, aber auch unsere Musik basiert auf Rock. Wir haben diverse Scherben-Songs gecovert, nicht nur aus Respekt, sondern weil unsere Grundeinstellung dieselbe ist. Logisch gehören Scherben und Slime zusammen. Ich bin damals für das SFB Radio eine Woche lang mit Rio Reiser durch Deutschland gereist. An Orte, die man akustisch erkennen konnte. Rio und ich waren u.a. im Zoo in Berlin, in einer Kirche, die ich erst nach langen Diskussionen betreten habe, und an der Nordsee. Es lief immer das Band mit. ///
1.12.
Slime
20 Uhr, Musikbunker
Karten gibt es KlenkesTicket im Kapuziner Karree
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