Das Museumsfoyer nimmt die Besucher mit zwei beeindruckenden Arbeiten von Herman Josef Mispelbaum in Empfang: Für das großformatige Gemälde „Der Tanz“ mussten sogar die Porträts der Familie Suermondt weichen, gleich neben der heimeligen Sofagarnitur steht „Die Flaschensammlerin“, eine raumgreifende Skulptur aus Plastikflaschen, die mit dem bürgerlich-braven Ambiente der Gründerzeitvilla bricht.
Dieses kantig-sperrige Empfangskomitee passt zu Mispelbaum, der zu seinem 80. Geburtstag mit einer längst überfälligen Ausstellung gewürdigt wird. Die Kuratorinnen Wibke Vera Birth und Sena-Marie Cirit haben zusammen mit dem gesundheitlich angeschlagenen Mispelbaum dreißig Werke aus seinem vielschichtigen Œuvre ausgewählt: großformatige Gemälde, Zeichnungen, Drucke, collagierte Papierschnitte und Plastiken.
Hermann Josef Mispelbaum, 1944 in Übach-Palenberg geboren, ausgebildet an der Werkkunstschule Aachen bei Ernst Wille und Meisterschüler und Assistent von Rupprecht Geiger an der Kunstakademie Düsseldorf, geht es um Fragen der menschlichen Existenz, aber auch um aktuelles Zeitgeschehen wie der Flutkatastrophe im Ahrtal.
Der Ausstellungstitel „Tiefgang der Linie“ ist Programm: Linien durchziehen sein Schaffen – von den frühesten Gemälden bis zu seinen plastischen Arbeiten. Sie sind perspektivische Gliederung des Raumes und verleihen seinen Plastiken ebenso wie den Zeichnungen und Gemälden Struktur und Kontur, seine Farbpalette hingegen reduziert er auf Schwarz, Weiß und Grau.
Der Titel spielt auch auf den komplexen Entstehungsprozess der Arbeiten an: Mispelbaum arbeitet oft schnell und ohne Unterbrechung, korrigiert und übermalt teils Jahre später einzelne Bereiche einer Zeichnung. Jede Linie, jede skizzierte Figur, auch jede ausradierte und überarbeitete Struktur, die schemenhaft neben neu hinzugefügten Elementen steht, birgt einen Teil dieses Prozesses. Dass Mispelbaum bei allem Tiefgang seiner Linien über eine ordentliche Portion rheinischen Humors verfügt, zeigen auch die bissigen Beschriftungen, wenn er beispielsweise beim „Erdjongleur“ eine Figur über die Erdkugel balancieren lässt. \bep
bis 30.6.
Hermann Josef Mispelbaum – „Tiefgang der Linie“
Suermondt-Ludwig-Museum, Kupferstichkabinett
suermondt-ludwig-museum.de
Suermondt-Ludwig-Museum
Hermann Joef Mispelbaum
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