Von Dirk Tölke
Was der in Aachen lebende Medialkünstler Tim Berresheim (1975*) im Düsseldorfer Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen zeigt, sind mehr als nur Bilder, Bilder im Bild oder Bildesbilder.
Man betritt nicht einen klassischen Ausstellungsraum, an dem in adretter Korrespondenz Bilder mit sich und dem Betrachter ins Gespräch gebracht werden, sondern man ist im Bilde, man ist mitten in einer komplexen 3D-Bildwelt, die etwas von der Science-Fiction-Attitüde eines Holo-Decks auf Raumschiff Enterprise besitzt.
Grafische Darstellungen im Raum
Im Raum steht eine Bühne mit Kulissenwand, an der eher klassisch Bilder hängen, im Raum stehen Warendisplaytheken mit Glasplatten, die als Schauvitrinen für Merchandising-Produkte des Künstlers und seiner vielen Aktivitäten als Musiker, Betreiber des Labels „Studio New Amerika“ und des „Institut für Betrachtung“ zu tun haben.
Wie Werbeaufsteller stehen grafische Darstellungen im Raum, die in ihrer Spielplanoptik den Eindruck machen, sie wären Material eines Gesellschaftsspiels. Rundum kleiden Bildtapeten den Raum aus, die als eigenständige Präsentationsform und als eingeplanter Hintergrund für gerahmte Bilder dienen.
Komplexität der Bezüge
In sie sind teils überdimensionale Pin-Nadeln burschikos eingesteckt, an denen schlabbernde Seile suggerieren, sie würden die daran hängenden Bilder tragen. Auf den Tapeten kleben flatternde Tageskalenderblätter.
Nichts ist einfach Realität. Nichts ist Welt, alles ist Bild. Daher der Titel „Auge und Welt“, denn diese irritierende und auf ihre eigenen Bildbestandteile bezogene Bildwelt, die im Raum, an den Wänden und in den Bildern wieder auftaucht, hat eine Komplexität der Bezüge, die neben Ausstellungserwartungen das Bild im 21. Jahrhundert in Frage stellen und den Realitätswert, den man ihm beimisst.
Ans Äußerste der Pixeldichte
Er spielt mit den bisher nutzbaren Bildmitteln der Kunst und arbeitet jeden persönlichen Pinselduktus vermeidend mit digitalen Bildern, die mit wissenschaftlicher Ausschöpfung der Rechenkapazität und Renderqualität von Computern ans Äußerste der heute möglichen Pixeldichte gehen.
Dafür muss er Programme umschreiben, denn die Filmindustrie denkt ökonomisch und begnügt sich mit kostengünstigen Illusionseffekten. Berresheim lässt nicht nur Bilder auf diverse Körper und Oberflächen in seinen digitalen Bildräumen projizieren, sondern die Wechselwirkung von Schatten und in diesen wiederum die Wechselwirkung von Umfeldfarben ausrechnen.
Berechnung statt Pinselstrich
Es gibt in seinen Bildern auch im Detail keine Unschärfe mehr, die nicht gelegentlich als Seh-Effekt gewollt wäre. Er macht keinen Pinselstrich oder collagiert Photos, sondern er nutzt Strömungs- oder Wettersimulationsprogramme.
Er lässt Millionen Kugeln im virtuellen Raum mit einem bestimmten Druck durch ein imaginäres Rohr mit Löchern pumpen und friert den berechneten Verlauf dieses Prozesses ein, macht das Rohr durchsichtig und übrig bleibt ein Streumuster. Unter Angabe von Drehungswerten im virtuellen Bildraum verschiebbar, kann jede dieser Kugeln dann durch beliebige Bildelemente ersetzt werden.
Experiment und Augenlust
So entstehen neue Bildwelten die alle etwas mit Experiment und Augenlust zu tun haben, technisch und über die Bildwelt natürlich Zeitgenossenschaft repräsentieren.
Berresheim der aus der Punkbewegung stammt, die sich vom anfänglichen No-Future-Duktus zur unabhängigen Do It Yourself-Haltung entwickelt hat, nutzt Elemente der -Tribe-Tattoos, polynesischer Kultur, Spielewelt, realitätsferne Traum- und Drogenwelt und er mischt sie zu einem staunenswerten Potpourri aus Wirklichkeitsirritation.
Höchst eigenständige Laborbildwelt
Das macht nicht nur generationstypisch Spaß, sondern entwickelt eine höchst eigenständige Laborbildwelt. Ganz anders geht in den Räumen gegenüber der mit der Fotografie das Foto-Bild reflektierende Thomas Ruff in seiner sehenswerten Retrospektive unter anderem mit dem Computer um. Er erzeugt damit errechnete Fotogramme, quasi in digitaler Analogie.\
Website von Tim Berresheim
Website des Kunstvereins Düsseldorf mit weiteren Informationen zur Ausstellung
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