Von Dirk Tölke
Ist das herkömmliche Kunst oder die malerische Herkunft, von der sich Karl Fred Dahmen (1917-81) später gelöst hat? Er selbst hat es Brotkunst genannt. Die Zeichnungen und Gemälde aus dem Frühwerk, die Christa und Karl-Heinz Oedekoven aus dem Besitz Stolberger Bürger und der Enkel zusammengetragen haben, dokumentieren den realistischen Anfang und die Begabung des in Stolberg geborenen Künstlers, der zu einem der bekanntesten frankophilen Nachkriegsmodernen der Region geworden ist.
Für die Moderne begeistert
Porträts, Akte, Blumenbilder und vor allem Landschaften zeigen das klassische Repertoire, das eine für andere sichtbare künstlerische Begabung ausmacht. 14-jährig kam Dahmen noch 1932-34 an die Aachener Kunstgewerbeschule und wurde für die dann abgewürgte Moderne begeistert.
1936-38 ging es mit einer Gebrauchsgraphikerlehre weiter, der Kriegsdienst und Gefangenschaft folgten. Andere entgingen brotloser Kunst durch Lehren als Maler, Lithograph, Bühnenbildner, Werbegraphiker oder Plakatmaler.
Die Straßenmusik der Künstler
Zum Überleben sind bis heute Porträts, Blumenbilder und Ortsansichten die Straßenmusik der Künstler: Übung, volkstümlich gefragter Gelderwerb und gern unterschlagenes Motiv zugleich. Alle Künstler(innen) entwickeln sich aus solchen Anfängen und Nachahmungstrieben, die ihnen selbst ihre Ausdrucksmöglichkeiten erst sichtbar machen und ihnen später oft peinlich werden.
Kaum ein Nachlass enthält noch Schülerzeichnungen. Was nicht Krieg, schlechte Lagerung und viele Umzüge hinweggerafft haben, wird gern Opfer radikaler Schaffensbrüche oder durch Erben gesäuberter Nachlässe.
Nichtlineare Wanderwege
Gerade in der nach neuen Ausdrucksmitteln suchenden Moderne erscheinen klassische Bildformen als rückschrittliche und marktschädigende Relikte. Der schaffende Künstler schreitet stetig voran und würde heute nicht mehr so malen wie gestern, der Erbe ist ums Ansehen besorgt.
So wurden früher oft Fotos als technisches Hilfsmittel, Erotika oder unverstandene und politisch und moralisch unkorrekte Werke entsorgt. Möglicherweise ist das heute anders und die nichtlinearen Wanderwege der künstlerischen Phantasie (Brüche, Sprünge, Kombinatorik, Wagnis) lassen sich so besser nachvollziehen.
Erkundung neuer Bildformen
Das hat Picasso veranlasst, die problemlos adaptierten Stile seiner Zeit hinter sich zu lassen, um neue Bildformen zu erkunden. Das tat auch Karl Fred Dahmen recht radikal oder risikobereit.
Ein Parisbesuch 1951 und die verflächigenden Ideen der École de Paris inspirierten ihn 1952 zur Gründung der Neuen Aachener Gruppe und führte 1953 zur Organisation der deutsch-französischen Ausstellung „Heute“, die ihn auch an den Ausstellungsorten Köln und Düsseldorf bekannt machte.
Im Sinne der „Nouveaux Réalistes“
Mitgliedschaften im deutschen Künstlerbund (1957) und in der Gruppe 53 (1959) brachten ihn zur Dokumenta II (1959), die in der neuen Gruppe München und im Westdeutschen Künstlerbund (1966) zur Professur an der Münchner Akademie der bildenden Künste (1967) mit Wohnsitz im Chiemgau.
Von tachistischer „Fleckenmalerei“ und Holzcollagen über Objektkästen und Materialbilder im Sinne der „Nouveaux Réalistes“ montiert, malt und gestaltet er mit Fundstücken und symbolischen Chiffren bestückte Werke, die mit Realien und nicht realistisch arbeiten.
Durchs Frühwerk sichtbare Ablösungsleistung
Dafür ist er berühmt, dazu hat er sich entwickelt und ist doch landschaftsinspiriert geblieben. Erst malte er Landschaft, dann machte er sie aus Realien und mit ihren Spuren, Farben und Oberflächenstrukturen. Diese Ablösungsleistung wird erst durchs Frühwerk sichtbar.\
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