Von Dirk Tölke
Rainer Knaust lässt sich Zeit mit seinen Projekten, die er sorgfältig plant, selbst durchführt und als Phasen nahezu seriell durchspielt. Es sind unmittelbare Erfahrungswelten, die er bildhaft zu geordneten Systemstrukturen bringt, die nicht den gängigen Erwartungen entsprechen.
1986 beginnt Rainer Knaust noch analog eine Reihe von Porträtsfotos von Personen aus seinem unmittelbaren Lebensumfeld (Bildende Kunst, Architektur, Presse, Museen, Galerien und Musik) zu sammeln, die er später digital bis 2018 weiterführt und zeilenweise als Gesamtschau eines Lebensaspektes collagiert, quasi als Summe persönlicher Leitbeziehungen. Es scheinen allesamt zupackende Leute zu sein, sucht man einen gemeinsamen Nenner, wie diese Struktur es herausfordert. Aus seinem persönlichen Umfeld am Wohnort in Düsseldorf (einer ehemalige Schule) stammt auch ein Wohncontainer der Nachkriegszeit, in dem ein Herr Hoffmann wohnte und den er nach und nach mit Namensvettern bestückte: Jugendstilarchitekt Josef Hoffmann (Mobiliar), Hofmann von Fallersleben (National-Hymne), Heinrich Hoffmann (Struwelpeter), E.T.A. Hoffmann (Nussknacker) etc.
Bestimmte Themen spielt Knaust seriell durch. Da ist zunächst ab 1984 die Fabrikkunst, eine zeitweilige Umarbeitung von Hallen als Veranstaltungsort oder Installationen, nur fotografisch dokumentiert. Dann nutzte er bei einem Besuch der Villa Massimo, wo Freund Mispelbaum 1990 Preisträger ist, Lagerfeueraschen zu informellen Bildern. In den Neunzigern baut er Regalkästen mit Klappen für Fotos oder Realien als Sortierungsmuster. Abgüsse vom eigenen Körper oder Ereignisse der 33. Woche des Jahres 1994 finden sich arrangiert. Weitere Sammlungen bestehen aus Tetriselementen o.ä. in Zeilenregalen. Gefachungen sind das Gestaltungsprinzip solcher scheinbar zufälliger Elemente.
Treppen und Gerätschaften
Ab 2001 ist es das Thema Treppe, das mit begehbaren Treppenlabyrinthen museal wird, aber nur für den Moment gebaut ist: eine Art Performanceplastik, ein nur fotografisch dokumentiertes Erlebnis, teilweise aus Modellhaftem anderes suggerierend, wie bei der Fotografie Kitesch 2003, die aussieht wie ein keramisches Dorf aus Türmen. Treppen werden als grafische und plastische Elemente arrangiert, als Haufen zum Gefüge-Foto und als Etagenregal 2003 zum Abbild des Selbst in nüchterner Bildsprache. Gerätschaften stehen hier für Atmosphären. Kein Wunder, dass er die Nachtgegebenheit seines Büros mit auf Standbybirnchen reduziertem Gerätepark als Lichterscheinung festhält, 2008 zu Handigraphien mit ihren Pixelunschärfen wechselt, 2010 den NS-Bauten in Nürnberg mit einer Handyfotografieserie durch rosarote Mon-Cheri-Packungen kritisch Herr zu werden versucht.
Die Experimente reichen aktuell bis zu Fotos, die er auf graue raue Malerpappe aus Papierresten mit Metallspännen in A3 ausdruckt, zusammenklebt und mit Pastellstiften mangels Weißanteil in Teilen farblich nacharbeitet, sodaß man ein Farbfoto zu sehen glaubt. Auch hier dominiert wieder seriell Strukuriertes: Ein Baum wurde alle 10 Minuten zwischen Wintersonnenwende 2017 und 2018 fotografiert und die Lichtwirkung übers Jahr wird in einer Darstellung von 365 x 144 Fotos nachvollziehbar. Einfachste Mittel und Realien vertiefen in dieser praktischen Konzeptkunst Atmosphären, lassen Zusammenhänge und Ordnungstätigkeit wirksam werden, betonen Licht, Farbe und Formkörper, machen Kulturroutinen in Denkplastiken sichtbar, poetisieren die Wirklichkeit, sind Hingucker für Sinnsuchen. \
Rainer Knaust
geboren 1947 in Oberhausen, studierte in Maastricht freie Bildhauerei, schloss sich 1983 zu einer Ku?nstlergruppe mit Chris Reinecke und 1986 mit Hermann Josef Mispelbaum zusammen und wohnt seitdem in Düsseldorf. Seit seiner Jugend fotografiert und entwickelt er. Vielen Ausstellungen und Projekten seit 1979 folgten Auszeichnungen (2001 Karl Ernst Osthaus-Preis, 2007 Staatspreis NRW fu?r Fotografie). \
28.4.-26.5.
Eröffnung 28.4., 12 Uhr
Rainer Knaust, Ars documentaria
„Fotografie + Objekte“
Forum für Kunst und Kultur, Herzogenrath
Website Forum für Kunst und Kultur in der Euregio e.V. in Herzogenrath
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