Der Albumtitel ist eine Steilvorlage zur Revision. Alles andere als unangenehm fällt das Aachener Post-Punk-Quartett The Lost Tapes mit seinem zweiten Album auf, dessen Veröffentlichung Mitte Februar mit einem rauschenden Fest im Musikbunker gefeiert wurde. In der Tat ist sprudelt „Inconvenience“ mit seinen zehn Songs als wahrer Quell der Freude für Liebhaber wohliger Düsternis im Stile von honorigen Altvorderen wie Wire, Joy Division oder The Cure vom Plattenteller. Neben dem raumgreifenden Rhythmusrepertoire von Jochen Imhof (Bass) und Christian Schmalohr (Schlagzeug) sind es die die virtuose Gitarrenarbeit von Sascha Berretz und das fiebrig-abgründige Timbre von Sänger Alex Klotz, die The Lost Tapes zu würdigen Zeitlos-Machern des End-70er- bis Früh-80er-Sounds machen. Neu und wohltuend im Sound-Universum ist der Einsatz von Synthesizer-Momenten, eingespielt von Valle, sonst Tastentäter bei den Aachener Schrammelpunk-Aufstrebern Shrimp. Klenkes-Autor Alexander Barth hat mit Jochen Imhof über das neue Album gesprochen.
Glückwunsch zur zweiten Album-Veröffentlichung! Was hat sich seit dem Debüt 2017 getan?
Wir sind schon unserer Richtung treu geblieben – dem frühen Postpunk und Wave. Die Musik die uns seit unserer Jugend geprägt hat. Da gab es Bands wie The Cure, 1919, Joy Division und Wire, die einfach sehr innovativ und experimentell an die Musik heran gingen. Wir arbeiten auch gerne abseits von eingängigen Sounds. Die neue Platte mag vielleicht etwas waviger sein im Vergleich zur ersten, die noch relativ punkig daherkam. Anders ist, dass wir diesmal den Mix selber zusammen mit Siro vom Notafalsa Studio in Aachen vorgenommen haben, einfach, um mehr Kontrolle über das Ergebnis haben zu können. Und wir hatten diesmal einen Gastmusiker, den Valle, der bei ein paar Songs noch Synthesizer eingespielt hat, was natürlich auch zum stärkeren Wavesound auf der neuen Platte beiträgt.
Erneut habt ihr ein Foto des südafrikanischen Künstlers Roger Ballen auf dem Cover. Wie kam es dazu?
Ich war vor vielen Jahren auf mehreren Ausstellungen von ihm. Durch die quadratischen Formate seiner Fotos und die düsteren Schwarz-Weiss-Inszenierungen fand ich, dass dies alles potentielle LP-Cover wären. Als es zum Artwork für unsere erste LP kam, fiel mir das wieder ein und ich nahm Kontakt zu ihm auf, wobei ich natürlich erstmal nicht wusste, ob so ein etablierter Fotograf sich auf so eine völlig unbekannte Band einlassen würde. Aber ich schilderte ihm einfach meine Idee, unsere Künste zusammenzupacken und daraufhin wollte er zunächst mal was von uns hören, ihm gefiel es sehr und so einigten wir uns auf einen Deal. Er fand das Ergebnis dann genau wie wir so gut, dass wir bei der zweiten Platte eine Fortsetzung des Designs haben wollten. Das neue Foto kommt nicht so heftig daher wie das erste, entspricht aber auch gut dem Wandel im Sound. Ich meine, dass das LP-Cover genauso wichtig ist wie die Musik auf der Scheibe. Das gesamte Paket muss einfach stimmen.??
Wie läuft bei euch der Songwriting-Prozess? Kunstvoll strukturiert oder punkig improvisiert?
Das variiert sehr, teils werden die Songs von Sascha und mir in trauter Zweisamkeit Songwriter-mässig erarbeitet und dann im Proberaum präsentiert und fertiggestellt. Oder aber sie entstehen bei spontanen Sessions mit der gesamten Band. Beide Vorgehensweisen haben ihren Reiz und führen meist zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.??
Ihr spielt relativ wenige Shows, die sind dafür dann umso intensiver. Warum nicht mehr Konzerte? Oder ist das bewusst so gewählt?
Wir sind keine Fulltime-Musiker, alles entsteht bei nur einer Probe pro Woche. Wir gehen alle unseren Berufen nach und so gesehen kann sich das Ergebnis ja gut sehen lassen. Aber für ausgiebige Touren oder viele Gigs ist einfach kaum Zeit. Mehr Auswärtsgigs sind aber demnächst das Ziel, dafür braucht man jedoch jemanden, der sich drum kümmert. Ein Booker wäre langsam mal angesagt. Wenn dann aber tatsächlich mal ein Gig ansteht, ist der Druck natürlich groß eine geile Show abzuliefern. Daher kommt es vielleicht so gut rüber.??
Ihr seid weiterhin beim Aachener Label Rockstar Records. Ein Vertrauensverhältnis? Was tun die Macher eigentlich für euch?
Als wir die erste Platte geplant haben, sprachen uns Timo und Mario von Rockstar Records an, ob sie es rausbringen sollen. Sie haben seit vielen Jahren Erfahrung im Produzieren und Vermarkten von Punk-orientiertem Vinyl. Auch haben sie direkten Kontakt zu Presswerken und wissen einfach, wie das Business läuft. Gerne nahmen wir das Angebot an, was eine super Entscheidung war. Sie arbeiten mit einem Netzwerk von anderen Labels und Plattenhändlern, was zu einer viel größeren Verbreitung der Platten führt, als wenn man es selber macht. Kurz nach dem Erscheinen gab es die Scheibe bei vielen weltweiten Shops, was zu einem schnellen Verkauf der ersten Auflage führte. Die haben einen super Job gemacht, danke dafür, und scheinbar hat es ihnen auch gefallen, sodass sie die zweite Platte auch rausbringen. / ab
„Inconvenience“ ist beim Aachener Label Rockstar Records erschienen (Vinyl und Digital). Erhältlich unter anderem beim „Plattenbau“ (Viktoriastraße 51) sowie direkt beim Label.
The Lost Tapes
„Inconvenience“
Rockstar Records
Website Rockstar Records
facebook The Lost Tapes Aachen
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