Der kleine Eingang in der Viktoriastraße führt durch die Seitentür in ein helles Vorzimmer mit grauem Teppichboden. Eine gemütliche Kissenlandschaft, Rattanstühle mit dicken Polstern und pinke Yogamatten geben den Impuls: Ankommen … Durchatmen. „Oft beginnen wir hier mit einer Gedankenreise, Entspannungsübungen, Autogenem Training.“, erzählt Christina Vedar. Vor allem Kindern biete dies einen guten Einstieg bevor es mit dem Malen losgeht. Ausgeruht geht es ans Werk! Tee und Gebäck stehen auf dem mit bunten Farbstrichen und Klecksen überzogenen viereckigen Holztisch des Atelier „Art Vedar“. Er nimmt fast den gesamten Raum ein. Aus dem Hinterhof winkt ein Astronauten-Graffito dem Besucher zu. Ein bisschen hip, ein Charme von Klein-Kreuzberg. Christina Vedar kam über ihre Arbeit mit geflüchteten Menschen zur Kunsttherapie. „Das große Thema 2015 war anzukommen, die traumatische Flucht zu verarbeiten. In der kreativen Arbeit habe ich dann gemerkt: Da tut sich ja was.“ Nebenberuflich bildete sie sich zur Kunsttherapeutin aus. Ein Job, für den es in Deutschland nur wenige Stellen gibt. Dennoch, der Gedanke war gereift, dass dies ihr Hauptberuf werden sollte. So kündigte sie 2018 ihren Job und stieg zunächst in einer Gemeinschaftspraxis ein, bevor sie sich selbstständig machte. Die Nachfrage war gleich sehr groß. Doch leider, so Vedar, wird die Kunsttherapie von den Krankenkassen immer noch kritisch beäugt. Anders als im anglophonen Raum, seufzt sie, denn dort ist die Kunsttherapie eine Therapieform, unter vielen anderen. Völlig gleichgesetzt, nur anders im Ansatz. Dieser liegt im Loslassen des Kognitiven, das unsere Gesellschaft stark prägt. „Weil wenn man hier am Tisch steht und denkt: Okay, ich habe Gefühle, ich muss jetzt hier was malen!“ – dann sei es hilfreich erstmal anzukommen mit Entspannungstechniken. Das häufigste psychische Problem, mit dem Klienten ihre Praxis betreten, sei die chronische Doppelbelastung von Kind und Karriere, die auch im Burn-Out enden kann. Zu 80 Prozent, so Vedar, seien dies Frauen. Oft sind diese Menschen kognitiv stark eingespannt – alles muss beachtet, notiert, organisiert, nichts darf vergessen werden. Das Malen wirkt therapeutisch und kann somit verhindern, dass es überhaupt zu schwerwiegenderen psychischen Erkrankungen kommt. Akut Betroffene, die einen Klinikaufenthalt benötigen, darf sie jedoch nicht aufnehmen und leitet sie an die richtigen Stellen weiter. „Wer hier herkommt, ist gesund, probiert sich also aus. Um in der Gruppe in den Austausch gehen. Um an seine Gefühle zu kommen.“ Wer einmal hineinschnuppern möchte, kann sich die Methodik in der „Offenen Kunsttherapiegruppe“ mittwochs zwischen 18.30 Uhr und 20 Uhr anschauen. Christina Vedar ist auch mobil mit ihrem Malatelier unterwegs. Sie fährt in Unterkünfte geflüchteter Menschen und zu Opfern der Flutkatastrophe in Schulen. Ihre Ausbildung in der Verhaltenstherapie hilft ihr zu erkennen, wer in der Kunsttherapie Struktur und wer eher das freie Malen braucht. Sie achtet auch darauf, wie jemand malt: „Ist das mit Druck und Energie, was passiert da eigentlich gerade?“. Entweder komme man während des Malens ins Gespräch oder im Anschluss. Die durchs Malen angestoßenen Denkprozesse sind Erfahrungen, die man mit in den Alltag nimmt. „Wenn man zum Beispiel von Überforderung betroffen ist, und alles in Perfektion managt, dann versucht man oft, das perfekte Bild zu zeichnen. Und merkt dann: Es funktioniert alles nicht so ganz.“ Die Perfektion stehe einem im Wege. Vedar ermuntert dann, einfach mal auszuprobieren. Keine Angst davor zu haben, das Werk mit malerischen Impulsen kaputtzumachen. „Probiere das doch aus, es ist nur ein Bild!“. Diese Erfahrungen: „Es kann auch alles gut werden, wenn ich nicht alles im Griff habe – das kann man dann mit in den Alltag nehmen.“ Krankenkasse Die Kunsttherapie gilt als Spezialtherapie. Krankenkassen finanzieren sie nur, wenn bereits eine Psychotherapie vorausgeht. Christina Vedar unterstützt, ihre Klienten jedoch bei den Behördengängen. Auch, um den Kassen den Bedarf zu signalisieren. BU: Christina Vedar liebt vor allem das Unanalytische von Kunst. Ihre Impulsivität.
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