Ist ein Studium die einzig wahre Alternative für Abiturientinnen und Abiturienten? Im Gegenteil! Die berufliche Ausbildung wird immer attraktiver. Dies belegte zuletzt eine Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS). In den vergangenen zehn Jahren sei der Anteil derer, die mit Abitur eine duale oder schulische Ausbildung begonnen haben, von 35 Prozent im Jahr 2011 auf 47,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen.
Für Abiturientinnen und Abiturienten ist eine Berufsausbildung durchaus genauso attraktiv wie ein Studium. Doch wie sieht es im Raum Aachen aus? Hier lässt sich der Trend leider nicht bestätigen, wie die Agentur für Arbeit Aachen-Düren auf Anfrage mitteilt. „Weiterhin besteht eine hohe Studierneigung unter den Abiturient*innen“, sagt Ulrich Käser (Foto rechts). Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Aachen-Düren sieht hierfür unterschiedliche Gründe: Zum einen sei die gymnasiale Schulform – bei insgesamt seit Jahren sinkenden Schulentlassungen – die einzige mit einem Zuwachs an Schülerinnen und Schüler. Zum anderen herrsche weiterhin „der Trend zum höheren Bildungsabschluss“, sodass Schülerinnen und Schüler mit einer mittleren Reife noch ein Berufskolleg besuchen, um dort die Fachhochschulreife zu erwerben. Und diese werden statistisch zu den Abiturienten hinzugerechnet.
Möglicherweise beeinflusst aber auch der Standort die berufliche Laufbahn. Aachen gilt als Studentenstadt mit zwei ausgezeichneten Hochschulen. Im Ranking der Städte mit den meisten Studierenden in Deutschland zum Wintersemester 2021/2022 belegt Aachen den siebten Platz – und liegt damit vor einigen Großstädten wie etwa Düsseldorf oder Stuttgart, die fast dreimal so viele Einwohner haben. Wer unmittelbar in der Nähe einer Studentenstadt wohnt, könnte sich daher schneller für ein Studium entscheiden.
Doch das ist nicht alles: „Es gibt Unterschiede zwischen einem Studium und einer Ausbildung. Ob man diese als Vor- oder Nachteile betrachtet, hängt sehr von der individuellen Sichtweise ab“, sagt Käser. Jugendliche, die praktische Fähigkeiten erlernen wollen, entscheiden sich tendenziell eher für eine Ausbilung. Wer hingegen einen theoretischen Ansatz und ein breites Hintergrundwissen bevorzugt, wird ein Studium präferieren. „Bei über 20.000 Studiengängen und über 320 Ausbildungsberufen macht die Anzahl bereits deutlich, dass bei manchem Berufswunsch die Ausbildung keine Alternative ist, weil diese schlichtweg nicht existiert.“
Anders als bei einem Studium, wo vielerlei Kosten – wie Studiengebühren und nicht selten die Miete für eine Unterkunft – auf einen zukommen, erhält man in der Ausbildung ein Gehalt. „Gerade in Zeiten mit einem knappen Angebot an potenziellen Auszubildenden sind manche Unternehmen hierbei sehr erfinderisch“, so Käser. Dementsprechend kann – je nach familiärer Situation – der finanzielle Aspekt die Entscheidung stark beeinflussen.
Da das Abitur nur in wenigen Berufen eine Zugangsvoraussetzung darstellt, haben Jugendliche ohne Abitur weiterhin gute Aussichten auf einen Ausbildungsplatz. Jedes Jahr bleiben zahlreiche Ausbildungsstellen unbesetzt, sodass sich Bewerberinnen und Bewerber im Raum Aachen (noch) keine Sorgen machen müssen. „Wichtiger als der höhere Schulabschluss ist für viele Betriebe die erkennbare Motivation und Einstellung zur Arbeit“, so Käser.
Während sich viele Abiturientinnen und Abiturienten immer noch primär für ein Studium entscheiden, wäre es – allein mit Blick auf den hohen Fachkräftebedarf – wünschenswert, dass die Ausbildung einen besseren Stellenwert erhalte, so Käser: „Wir würden sehr begrüßen, wenn es den Trend zu einem ausgewogenen Miteinander zwischen Studium und Ausbildung aktuell und auch in Zukunft gäbe.“ Der Vorsitzende geht davon aus, dass der Bedarf – unter anderem aufgrund des demografischen Wandels – weiterhin ansteigen wird. \Von Julie Vandegaar
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