Spätestens das enorme Rauschen im internationalen Blätterwald machte deutlich, wer da von uns gegangen ist. Zusammen mit ihrem Mann Peter Ludwig trug sie eine der weltweit bedeutendsten Kunstsammlungen zusammen. Die zurückhaltende Grandseigneurin und ihr eloquenter Mann setzten vor allem bei der amerikanischen Pop-Art und der russischen Avantgarde Zeichen. Doch in dem gewaltigen, über 12.000 Kunstgegenstände zählenden Fundus finden sich auch Objekte aus Antike und Mittelalter, sowie Schätze chinesischer und präkolumbianischer Kunst. Die Ludwigs gründeten in etlichen Ländern Museen und Institutionen, darunter Metropolen wie Budapest, Peking, Sankt Petersburg, Wien und – Aachen. Entgegen anderer Sammler haben die Ludwigs ihre Erwerbungen von Anfang an in die öffentliche Diskussion gestellt und können als eine der ersten Kunstsammler im heutigen Sinne betrachtet werden.
Seit Peter Ludwigs Tod 1996 hat Irene Ludwig die Geschäfte des Weltunternehmens weitergeführt. Sie gründete die „Peter und Irene Ludwig-Stiftung“ als Nachfolgerin der „Ludwig Stiftung für Kunst und internationale Verständigung“ – und legte damit den Grundstein für eine verlässliche Förderung der vielen Ludwig-Einrichtungen.
„Mir hat ihre Haltung imponiert“, sagt Dr. Brigitte Franzen, seit Januar 2009 Direktorin des Ludwig Forum für Internationale Kunst. „Sie war direkt und offen, dabei immer konstruktiv kritisch und in erster Linie an den Inhalten interessiert.“ Zwei Jahre hat Franzen zusammen mit Irene Ludwig an der Erweiterung der Sammlung gearbeitet, im nächsten Jahr wollten sie zusammen das 20-Jährige Jubiläum des LUFO begehen. „Sie war bei allen unseren wichtigen Veranstaltungen dabei“, sagt Franzen. „Das Jubiläum in ihrer Geburtsstadt hätte ihr gefallen.“
Als Tochter von Olga Ella und Franz Monheim am 17. Juni 1927 in Aachen geboren, hat Irene Ludwig schon während ihres Studiums der Kunstgeschichte, Archäologie sowie Vor- und Frühgeschichte in Mainz eine Sammelleidenschaft entwickelt. 1977 stiftet das Ehepaar Ludwig dem Aachener Suermondt-Museum 193 Kunstwerke aus Mittelalter und Neuzeit – eine Umbenennung in Suermondt-Ludwig-Museum folgte auf dem Fuße. Schon früher, 1970, wurde im Alten Kurhaus die Städtische „Neue Galerie – Sammlung Ludwig“ gegründet. Elf Jahre später zog die Institution in eine ehemalige Schirmfabrik an der Jülicher Straße – das heutige Ludwig Forum. Peter und Irene Ludwig schenkten dem Haus im Jahr 2000 68 so genannte „Signetwerke“, darunter Arbeiten von Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Jasper Johns und Jean Michel Basquiat. Darüber hinaus sind dem Ludwig Forum zahlreiche Dauerleihgaben überlassen.
„Die ‚Neue Galerie’ war das erste Haus der Ludwig-Familie und ausschließlich auf Gegenwartskunst spezialisiert“, sagt Direktorin Franzen. „Auch der spätere Name ‚Ludwig Forum’ hob sich von denen anderer Museen ab.“ Die Ludwigs bestanden auf der Bezeichnung „Forum“ in Abgrenzung zu den üblichen Museen der Zeit. Das LUFO sollte eine „Stätte der Auseinandersetzung“ sein, wie es die Kunsthistorikerin und -kritikerin Renate Puvogel beschreibt.
Hat der Tod Irene Ludwigs Auswirkungen auf den Betrieb der Aachener Ludwig-Einrichtungen? „Wir gehen den vorgezeichneten Weg weiter“, versichert Franzen, „aber wir haben eine Patronin verloren“. Für das Jubiläumsjahr 2011 sind drei Ausstellungen geplant, unter anderem über amerikanischen Fotorealismus und amerikanische Fotografie. Unter dem Titel „Nie wieder störungsfrei!“ wird es eine Schau über die Aachener Kunstszene seit den 1960er Jahren geben. Die Zukunft des LUFO scheint gesichert.
Leider ist es eine Zukunft ohne Irene Ludwig, die dem Ludwig Forum den Weg geebnet und ihren Fußabdruck in der Geschichte Aachens und der Welt hinterlassen hat. „Auch nach dem Tode ihres Mannes ist Irene Ludwig der gemeinsamen Maxime gefolgt“, so Historikerin Puvogel, „nicht Allerweltskunst zu sammeln, sondern Weltkunst.“
Text: Sebastian Dreher
Bild: Ludwig Forum für Internationale Kunst, Archiv
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