Von Sebastian Dreher
Herr Linden, wann hatten Sie die erste Ahnung, dass Maastricht und die Euregio doch nicht den Titel der Kulturhauptstadt 2018 bekommen könnten?
Es gab im Vorfeld – neben der Erst- und Zweitpräsentation in Amsterdam – eine Begehung der jeweiligen Städte vor Ort. Wir haben uns da bereits gewundert, dass die Jury einen halben Tag länger in Leuuwarden war als bei den beiden übrigen Bewerbern Maastricht und Eindhoven.
Das heißt, das war von vorneherein so geplant?
Offenbar.
Gab es sonst noch Hinweise?
Bei der Befragung am Tag der Entscheidung bekam ich durch die Art der Fragestellungen und die Körpersprache der Jury die Gewissheit, dass das Ergebnis negativ ausfallen wird. Es wurde beispielsweise gesagt, dass seit 28 Jahren keiner Stadt oder Region der Titel der Kulturhauptstadt verliehen wurde, die sich über eine Breite von 120 Kilometern erstreckte und vier Millionen Einwohner hatte. Ich habe dagegengehalten, dass vor zwei Jahren Istanbul Kulturhauptstadt wurde, eine Stadt mit 19 Millionen Einwohnern und einer Ausbreitung von mindestens 150 Kilometern. Ähnlich war es mit dem Ruhrgebiet, das 2010 Europäische Kulturhauptstadt wurde.
Wie hat die Jury auf diese Argumente reagiert?
In Istanbul herrsche eine Gesetzgebung, eine Administration und es werde eine einzige Sprache gesprochen. Wir haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in den Richtlinien zur Bewerbung der Kulturhauptstadt ausdrücklich steht, die Bewerbung solle eine europäische Dimension enthalten. Und dass es darum geht, in einer Europäischen Union mit 28 Mitgliedstaaten und mindestens 25 verschiedenen Sprachen Grenzen zu überwinden und nicht im nationalen Bereich zu bleiben. Anhand dieser Diskussion war uns sehr schnell klar, dass die Skepsis vor allem unserer Trinationalität geschuldet war und man nicht glaubte, dass wir ein euregionales Projekt verwirklichen können.
Sollte nicht diese Trinationalität das größte Pfund für Maastricht sein?
Das haben wir auch gedacht. Es war sicher sehr ehrgeizig, in dieser nicht einfachen Situation für Europa solch ein Konzept zu entwickeln. Aber Maastricht als die Vertragshauptstadt von 1992 sowie Aachen und Lüttich als historische, europäische Städte haben meines Erachtens eine Verpflichtung. Und wir sind diese Verpflichtung mit der Kandidatur gemeinsam eingegangen. Mir ist nach der Entscheidung von einem Jurymitglied gesagt worden, dass dieser von uns angesetzte Maßstab als zu hoch und unerfüllbar erschien. Maastricht könne nicht alle europäischen Probleme lösen.
Aber Leeuwarden kann das?
Ich hatte während des ganzen Tages das Gefühl, die Jury habe ein bisschen Angst vor Europa selbst, und dass das möglicherweise dem Trend der Zeit geschuldet ist. Mich verwundert das, denn es ging um eine europäische Kulturhauptstadt, ausgeschrieben von einer europäischen Kommission und bewertet von einer europäischen Jury. Da muss Europa eine stärkere Bedeutung haben. Ich werde persönlich bei der nächsten Gelegenheit an zuständiger Stelle anmerken, dass man den europäischen Gedanken auch in schwierigen Zeiten nicht so bescheiden behandeln sollte.
Wann könnte die Gelegenheit sein?
Ich bin seit über 30 Jahren auf europäischer Ebene als Oberbürgermeister und heute als Sprecher des Karlspreisdirektoriums unterwegs – diese Gelegenheiten bieten sich, die muss man nicht erfragen. Last but not least: Martin Schulz ist ein persönlicher Freund.
Was sagen Sie zu der geäußerten Kritik, die Bevölkerung wäre zu wenig beteiligt gewesen?
30.000 bis 40.000 Menschen bei „Tout Maastricht“, 8.000 Menschen beim Amateur-Kunstfestival und 3.000 beim Empfang der Jury auf dem Vrjithof. Ich sage es mal mit anderen Worten: Wenn man jemandem einen Titel nicht zuerkennt, muss man natürlich Begründungen formulieren, die das auch rechtfertigen. Punkt. Ich möchte nochmal sagen, dass sich meine Kritik überhaupt nicht an Leuuwarden und Eindhoven richtet, aber mein Eindruck war – und dazu stehe ich und das werde ich auch weiterhin sagen: Diese Jury hatte Angst vor Europa. ///
WEITEREMPFEHLEN