Von Richard Mariaux
Bücherschränke – sie sind aus dem Aachener Stadtbild nicht mehr wegzudenken. In fast jedem Viertel steht so eine offene Vitrine – dreizehn sind es mittlerweile an der Zahl. Sie sind Teil unserer Sharing-Gesellschaft und passen zur Philosophie einer städtischen Community.
„Wir waren die ersten in Aachen“, erzählt Beate Engelhoven von der Katholischen Hochschulgemeinde in der Pontstraße stolz. „Ein Kollege aus unserem Team hatte so einen Bücherschrank in einer anderen Stadt gesehen, und wir fanden, dies sei eine gute Sache – apropos Nachhaltigkeit. Also haben wir beschlossen auch einen aufzustellen.“ Der erste Aachener Bücherschrank datiert daher auf Oktober 2011. Befüllt wird er wie eigentlich überall von den Lesern und Nutzern. „Wir schauen lediglich, ob im Angebot nichts Verbotenes dabei ist“, sagt sie. Auch ist der Standort mitnichten nur für eine studierende Klientel. Koch- und Kinderbücher, Romane, (theologische) Fachlektüre und vieles mehr findet sich in der Vitrine.
Die Stadt Aachen hat auf ihrer Webseite ein paar weitere Zahlen: Ein Bücherschrank kann in der Regel etwa 250 Bücher aufnehmen, der am Neumarkt im Frankenberger Viertel bietet sogar bis zu 420 Büchern Platz. Bücherschränke sind keine Aachener Erfindung. In Frankfurt – Stadt der Buchmesse – verteilen sich 73 dieser Metallkästen mit Glastüren über die ganze Stadt. Auch in Aachen ist die Pflege unterschiedlichsten Paten überlassen – es sind in der Regel engagierte Bürger, Sozialeinrichtungen wie die KHG, Haus Hörn und verschiedene Bezirksämter (Haaren, Eilendorf), die für eine Aufstellung sorgten. Am Grenzübergang Köpfchen, am KuKuK, kümmern sich diverse Vereinsmitglieder und der Hausmeister um den Schrank. Ulla Arslan vom Café kriegt viel mit vom Treiben rund um den Schrank: „Er wird unglaublich oft angefahren, wegen der guten Parkmöglichkeiten, und sehr oft bestückt, mehr, als entnommen wird. Man glaubt es kaum, wie oft ich da schon „Es muss nicht immer Kaviar sein“ oder „Vom Winde verweht“ gesehen habe, auch von Kishon trennt man sich gern. Ich habe auch viele Gäste im Café die sich ihren nachmittäglichen Lesestoff dort besorgen, gemütlich rumschmökern und das Buch dann auch oft zurück stellen.“
Was hineingestellt und mitgenommen wird, ist sehr unterschiedlich. Kinderlektüre empfiehlt sich in der Regel im unteren Regal und wird gern genutzt. Die Zeit von Simmel, Kishon und Konsalik scheint vorbei zu sein. Sie finden sich hier und dort, stoßen aber auf wenig Interesse, werden aufgrund von Mengen gleicher Titel manchmal auch vorab aussortiert. Häufig frequentiert werden Bücherschränke natürlich vor Reisezeiten wie den Sommerferien. Ingrid Schmidt, Leiterin des Begegnungszentrum im Haus Hörn, hat schon den einen oder anderen obskuren Titel im Schrank vorgefunden. „Schamanische Gesänge für Anfänger“ hieß zum Beispiel so ein Exot im Regal. Frau Leonards aus der Nachbarschaft ist mit fünf weiteren Personen Patin des Schranks an der Straße. Drei- bis viermal die Woche kontrolliert sie ihn, einmal im Monat wird er gründlich gereinigt, denn er wird rege genutzt – von Müttern mit Kindern, den Schulkindern um die Ecke und den vielen Studenten hier oben auf der Hörn. „Aber manche Leute verwechseln den Schrank mit der blauen Tonne“, erzählt sie kopfschüttelnd. \
Die App
Der Softwareentwickler und Blogger Tobias Zeising betreibt den Blog lesestunden.de – hier findet sich eine auch für Aachen ziemlich aktuelle Übersichtskarte aller Bücherschränke in Deutschland. Mittlerweile gibt es diese Übersicht, die Bücherschranke bundesweit ortet und anzeigt, auch als App (für Google Android & Apple iOS) über die Webseite. \
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