Von Silke Schneider
Gründer der Selbsthilfe war Ende des 19. Jahrhunderts der Psychotherapeut Michael Lukas Moeller. Das Konzept, dass Menschen, die von dem gleichen Problem betroffen sind, sich treffen um sich auszutauschen und zu unterstützen findet seitdem immer mehr Anhänger.
Wer im Internet auf die Seite der AKIS (Aachener Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe, eine Einrichtung der VHS Aachen) stößt wird überrascht sein, wie viele Selbsthilfegruppen zu beinahe jeder psychischen, körperlichen oder sozialen Problematik es gibt. Wenn hier jemand den Überblick hat, dann Pia van Buggenum-Sonnen. Nach Familienpause und Studium arbeitete sie erst im Aachener Gleichstellungsbüro und wechselte später zur VHS. Nun ist sie seit knapp vier Jahren die Leiterin der AKIS – und das mit viel Engagement und Herzblut.
Eine Selbsthilfegruppe kann jeder Betroffene oder Angehörige gründen.
Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, Betroffene bei der Gründung einer Selbsthilfegruppe zu unterstützen. Sie hilft die Zielgruppe zu definieren, Räume zu finden und bei Bedarf Fachleute als Referenten zu gewinnen. Sie moderiert das erste Treffen und bietet ihre Hilfe bei Konflikten an. „Eine Gruppe sollte mindestens sechs bis acht Teilnehmer haben, manche haben aber auch um die 30. Meist ist eine Person hauptverantwortlich, Aufgaben werden reihum verteilt“, erzählt sie, „Datenschutz und Anonymität sind immer gewährt, man kann auch unter einem Pseudonym an den Treffen teilnehmen. Manche sind nur ein paar Monate dabei, andere zehn oder mehr Jahre.“ In NRW gibt es aktuell 51 Selbsthilfe-Kontaktstellen, sie werden von den Krankenkassen unterstützt, die Selbsthilfe bildet so die vierte Säule des Gesundheitssystems, kann und soll aber keine medizinische Behandlung ersetzen. Viel mehr geht es darum, sich gegenseitig zu unterstützen, Erfahrungen auszutauschen und Verständnis zu finden, was sonst bei heiklen Themen wie etwa Sexsucht, Verschuldung oder sozialen Phobien nicht immer leicht ist.
Was sind denn Schwerpunkte und Entwicklungen im Bereich Selbsthilfe?
„2018 hatten wir 950 Anfragen, davon rund 440 zu den Themen Seele und Psyche,“ so Pia van Buggenum-Sonnen, „die Nachfrage bei chronischen Erkrankungen hingegen stagniert etwas. Im Vordergrund stehen zur Zeit die seelische und psychische Gesundheit, soziale Phobien oder immer öfter die ‚Empty Nest‘ Problematik, wenn die Kinder ausziehen und die zurückbleibenden Eltern damit nicht klarkommen.“ Was sie freut: Es gibt immer weniger Tabus, mit vielen Themen wird heute viel offener und selbstbewusster umgegangen als früher, beispielsweise mit Homo- oder Transsexualität. Ein weiterer Trend ist, dass es immer mehr jüngere Teilnehmer gibt, die seperate Gruppen gründen. Nachvollziehbar, denn mit zwanzig verursacht eine Sucht oder Behinderung andere Probleme als mit siebzig, auch Einsamkeit sieht bei Studierenden anders aus, als bei Senioren. Inzwischen hat sich die Junge Selbsthilfe Aachen gegründet, die 2019 von der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung der Selbsthilfe ( NAKOS) zur „Gruppe des Monats“ gekürt wurde. Bei Fehlverhalten und Missbrauch der Hilfestruktur kann die Förderung und die begleitende Online-Präsenz allerdings eingestellt werden, wie etwa bei einer Gruppe aus belgischen Ex-Legionären. Gerade bei Gruppen, in denen es um Erkrankungen geht, wird genau darauf geachtet, dass sie nicht von der Pharmaindustrie „unterwandert“ werden, die die Gruppen als Plattform zur Vermarktung eigener Interessen nutzen könnte. \
Am Rande
Aktionstag der gesunden Ernährung
Am 7. März von 11 bis 16 Uhr findet in der VHS Aachen ein Aktionstag zum „Tag der gesunden Ernährung“ statt. Die AKIS bietet in Kooperation mit dem Fachbereich Gesundheit, der StädteRegion, dem Aachener Universitätsklinikum und der AOK ein Programm mit Vorträgen, Workshops und gesunden Häppchen an. Die Veranstaltung ist kostenfrei, die Schirmherrschaft übernimmt Ulla Schmidt, Gesundheitsministerin a.D. \
Website "AKIS"
Website "Junge Selbsthilfe Aachen"
WEITEREMPFEHLEN