Nele Stuhler und Jan Koslowski arbeiten seit 2007 sowohl als Autor*innen- und Regiekollektiv (als Stuhler/Koslowski). Für das Theater Aachen haben sie sich für die im Mai startende Produktion mit einer gewissen Delphine Gay beschäftigt, die im 19. Jahrhundert eine angesehene Salonbetreiberin und Autorin war. Und eine gebürtige Aachenerin. Irgendwann Anfang des 20. Jahrhundert gerieten sowohl die Poetin als auch ihr Werk in Vergessenheit. Dem geht das Duo jetzt nach. Als Duo schreiben sie nicht nur. Sie sind daran interessiert, den Ort, an dem sie arbeiten, mit einzubeziehen.
„Also haben wir uns am Anfang mit Aachen und den Personen, die aus Aachen kommen beschäftigt, sind auf Delphine Gay gestoßen und haben in ihrer Werkliste ‚Lady Tartuffe‘ gefunden.“ Klingt simpel. Aber das war längst noch nicht alles. Die beiden haben sich nämlich nicht einfach die 1853 uraufgeführte Version genommen und eins zu eins auf die Bühne gebracht. Ihre Arbeit geht weiter. Sie beschäftigen sich mit der Person, der Geschichte, dem Vergessen, dem Bezug zu heute. Und haben in Anlehnung an Delphine Gay und ihrer „Lady Tartuffe“ ein eigenes Stück in Angriff genommen, dass sie mit dem Ensemble gemeinsam weiterentwickeln. Klingt kompliziert? Die beiden versuchen es leicht zu machen. „Es geht um eine junge Dame mit Namen ‚Lady Tartuffe‘. Diese Person spinnt Intrigen und fällt ihnen dann selbst zum Opfer.“
Und das alles eingebettet in die historische Geschichte der Delphine Gay, die in einer Zeit lebte, in der die Frauen zwar nicht offen Politik betreiben durften, in der Gesellschaft aber vor allem durch die Salonkultur durchaus mitmischen konnten. Aber was ist eigentlich eine Salonkultur? Der Salon ist ein Phänomen der europäischen Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt eines Salons steht eine Frau, die in einer Art Club Ablauf, Gesellschaft und Themen gestaltet. Und das an der Grenze der Öffentlichkeit. Vor allem die Beschäftigung mit der Geschichte ist ein großer Teil ihrer Arbeit. „Natürlich haben wir auch in dem Text der Delphine Gay einige Qualitäten entdeckt. Aber es geht noch um so viel mehr. Eine übermächtige Presse, eine reiche weibliche Gesellschaft – es gab viele reiche Witwen, die junge Männer protegierten. Es geht aber auch darum herauszufinden, warum, obwohl es so zahlreiche Stücke von Frauen gab, es in kollektiven Gedächtnis nur die Stücke der männlichen Kollegen geschafft haben.“ Liegt es an trivialeren Themen?
An der Tatsache, dass einfach so viele Theaterstücke im 19. Jahrhundert geschrieben wurden oder daran, dass Männer entschieden haben, was an Bedeutung verliert oder eben nicht? „Vergessen ist aktiv. Man tut es bewusst. Es geschieht nicht einfach. Und dem gehen wir auch nach.“ Dennoch wird der Theaterabend bei „Lady Tartuffe“ keine geschichtliche Abhandlung, sondern eine Komödie. Die Irrungen und Wirrungen gepaart mit einem Verwechslungsspiel dank zahlreicher Pseudonyme, die damals verwendet wurden, treibt die Geschichte voran. „Unsere Idee ist, die Autorin aus dieser Zeit subversiv zu denken. Sie damit zu ehren und dennoch ins Hier und Jetzt zu holen.“ Kostüm und Bühne spielen ebenfalls mit dem Heute und Damals. „Wir müssen nicht so tun, als wären wir im 19. Jahrhundert.
Wir müssen nicht authentisch sein. Aber wir können damit spielen.“Halten wir also fest: Es wird eine gesellschaftskritische Verwechslungskomödie, in der wir Delphine Gay begleiten, die in ihre Heimatstadt Aachen zurückkehren will. Sie reist gemeinsam mit ihrer Salon-Entourage, in der sich einige spannende Persönlichkeiten befinden, die ins Gespräch über alles Mögliche kommen und dem Zuschauer ihre Ansichten näher und ihn damit des Öfteren zum Lachen bringen. Klingt alles definitiv nach einem Plan. Und nach einer Uraufführung, die man miterleben sollte.
25.5. (Premiere)
„Lady Tartuffe“
19.30 Uhr, Großes Haus, Theater Aachen
theateraachen.de
Info:
1804 wurde die französische Schriftstellerin in Aachen geboren, wo sie zunächst auch aufwuchs. Dennoch besuchte sie regelmäßig Paris und machte sich bereits mit 17 einen Namen als Poetin und trat in literarischen Salons auf. 1831 heiratete sieÉmile de Girardin. Sie schrieb bis zu ihrem Tod 1855 zahlreiche Romane und Theaterstücke, publizierte journalistische Texte. Als Pseudonym verwendete sie häufig diverse Männernamen. Sie führte selbst einenSalon, bei dem das Who is Who der damaligen Zeit ein und aus ging.
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