Mit Gartenparties, die die zulässige Teilnehmerzahl überschreiten, kann man sich in diesen Zeiten ziemlich viel Ärger einhandeln. Der britische Premierminister weiß gerade hiervon ein Lied zu singen. Die Party, zu der Mirko Zeta, Botschafter des Operettenstaates Pontevedro, in die Pariser Botschaft eingeladen hat, ist aber nicht auf zehn Personen beschränkt, denn sie findet auf der Bühne des Theaters Aachen statt und bildet den Rahmen für Franz Lehárs aktuell dort aufgeführte Operette „Die lustige Witwe“. Selbstverständlich gemäß den geltenden Infektionsschutzregeln mit reduzierter Zuschauerzahl. Die Inszenierung obliegt Mario Corradi, vielen Aachenern mit einem überzeugenden „Il Trittico“ noch in guter Erinnerung.
Das Publikum erlebt einen kurzweiligen Operettenabend, durch dessen Handlung mit viel Witz Björn Jacobsen führt, ein eigens von der Regie geschaffener „Kanzlist bei der pontevedrinischen Gesandtschaft“. Die Hintergründe, warum eine Witwe ausnahmsweise lustig sein kann, werden auf diese Weise schnell erklärt – die Kürze der Ehe, das fortgeschrittene Alter des verblichenen Gatten und die beträchtliche Höhe der Erbschaft. Die hat im Fall der Witwe Hanna Glawari allerdings einen Haken, denn das Testament des Verstorbenen enthält eine verflixte Auflage: Bei einer Wiederheirat muss der neue Ehepartner Hannas Pontevedriner sein. Ist er das nicht, verfällt der Nachlass.
Natürlich ist Botschafter Zeta an der Erfüllung der Auflage interessiert, denn Pontevedro ist notorisch pleite und das Geld aus der Erbschaft soll wieder ins Land zurück. Leider sind die um Hanna herumschwänzelnden Heiratskandidaten allesamt Franzosen – bis auf eine Ausnahme: Graf Danilo. Er kennt Hanna zwar noch aus einer kurzen Liaison seiner Jugendzeit. Doch inzwischen hat er ein Lebensmotto: „Verliebe dich oft, verlobe dich selten, heirate nie.“ Außerdem verbringt er am liebsten seine Zeit beim „Champagnisieren“ im Maxim’s.
Zeta und seine Frau Valencienne haben zudem eigene Probleme. Nach einem ehelichen Fehltritt versucht diese sich der Avancen Camilles zu erwehren. Zur Besänftigung ihres eifersüchtigen Gatten lenkt sie geschickt Camilles Interesse auf Hanna. Fast kommt es auch zu einer Verlobung der beiden, doch im letzten Moment erklärt Hanna ihre Liebe zu Danilo, der seinen Vorsatz, nie zu heiraten, über Bord wirft und einer Heirat zustimmt.
Ort der Handlung ist zunächst der Botschaftsgarten in Paris. Die Bühne (Bühnenbild: Italo Grassi) ist üppig mit Hecken und Strauchwerk dekoriert, die sich im letzten Akt auf wundersame Weise in das Innere des Maxim’s verwandeln. Das alles ist nett anzusehen und dramaturgisch stimmig.
Auch in musikalischer Hinsicht ist Gutes zu berichten. Bei den Akteuren hat sich die Castingabteilung für die Operette nicht für singende Schauspieler, sondern für schauspielende Sänger entschieden und damit richtig gelegen, zumal alle auch darstellerisch überzeugen können. Irina Popova gibt eine durchaus lustige, mitunter aber auch nachdenkliche Witwe mit viel Tremolo in den höheren Lagen und ein wenig zu viel elektroakustischem Support. Daniel Szeili ist ein ausgezeichneter Danilo, gleiches gilt für den vertretungsweise aus Erfurt herbeigerufenen Julian Freibott, der in der Aufführung vom 16. Januar als Camille überzeugen konnte. Stimmlich herausragend ist wiederum Suzanne Jerosme als Valencienne, die auch als Darstellerin die Szene im Maxim’s mit reichlich Pariser Charme garniert.
Chanmin Chung hat seine Feuertaufe als Erster Kapellmeister bereits bei der Premiere bestanden und auch bei der später besuchten Vorstellung ist es ausgesprochen erfreulich, was trotz coronabedingt reduzierter Orchesterbesetzung aus dem Graben tönt. Die Publikumsreaktion lässt erkennen: So muss Operette sein. \ Ulrich Herzog
WEITEREMPFEHLEN