Die diesjährige Opernproduktion der Hochschule für Musik und Tanz ist keine klassische Oper im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine Collage aus Mozart-Arien, die besser nicht zusammen passen könnten. Sie alle stellen die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach der Berechtigung der Existenz und der Liebe. Gesanglich überzeugend und szenisch stark gemacht.
Schon das Bühnenbild von Loriana Casagrande beeindruckt. Durchsichtige, große Boxen stehen neben und hintereinander auf der Bühne. Manche sind besetzt. In einer tippt jemand auf seinen Laptop ein, in einer anderen starrt jemand auf sein Handy. Um die Boxen herum rasen Gestalten. Sie sind unterwegs in Abendkleid oder Adidas-Socken, manche rennen, manche schreiten. Im Hintergrund Videoinstallationen von Menschen, die eine Pause einlegen, wieder aufbrechen, weitersuchen. Es ist das hektische Leben einer Stadt. Begleitet wird das alles mit einer lauten, städtisch inspirierten Geräuschkulisse, die dann plötzlich durch fulminante Orchesterklänge abgelöst wird. Dieser Wechsel wird sich durch die komplettte Inszenierung ziehen und mit dieser Hilfe schafft es die junge Regisseurin Clara Hinterberger Mozarts Musik in die Jetztzeit zu katapultieren. „Ombra Felice“ ist ein Pasticcio, das einerseits die Arien Mozarts in den Mittelpunkt stellt, das Ensemble, die Musiker und das Spiel nicht vernachlässigt. „Glückliche Schatten“ heißt „Ombra Felice“ übersetzt und glücklich können die Darsteller der Oper definitiv sein. Nach fast jeder Arie gab es Zwischenapplaus. Nicht selbstverständlich in allen Inszenierungen. Zumal hier– und das sollte erwähnt sein, man merkt es nämlich nicht – keine Vollprofis am Werk sind. Alle Musiker und Sänger sind noch in der Ausbildung und nutzen lediglich die Infrastruktur des Theater Aachen. Seit 30 Jahren besteht die Kooperation zwischen dem Theater Aachen und der Hochschule für Musik und Tanz Köln mit ihrem Standorten Aachen. Der zentrale Pfeiler dieser Kooperation ist die Opernproduktion, die jeweils am Ende der Spielzeit mit Gesangsstudent und dem Orchester der Musikhochschule am Theater Aachen erarbeitet wird. Der Dirigent, Professor Herbert Görtz, Leiter des Hochschulorchesters, verabschiedet sich mit „Ombra Felice“ in den Ruhestand. Bei 24 von 30 Produktionen hat er das Orchester dirigiert.
Es mag an den jungen Darstellern liegen, Mozarts beflügelnder Musik, den angehenden Musikern, dem Dirigenten oder dem Regie-Team. Oder es mag die Mischung aus allen sein, die „Ombra Felice“ zu einem wunderbaren Musiktheater-Abend macht, der Lust auf mehr macht.
Das zentrale Thema ist - wie sollte es anders sein – die Liebe. Mit all ihren Tücken, Facetten und Varianten. Der Zuschauer lernt eine Reihe von ihnen kennen. Den zweigleisig Fahrenden, die Betrogenen, die Betrügenden, die Leidenden oder die Leidenschaftlichen. Jede Arie ist eingebettet in einer dieser Geschichten, oder eher: Hinterberger hat um die wunderschönen Arien mehrere moderne Geschichten kreiert, die aus den einzelnen Schicksalen eine Gemeinschaft machen. Immer wieder kommen die einzelnen Sänger zueinander, formieren sich zu einer Art Chor, singen gemeinsam und streben dann wieder auseinander. Zwischen ihnen, einer, der nicht – oder besser noch nicht – singt. Ensemblemitglied Tommy Wiesner. Er beobachtet die Städter, ist der stille, stumme Begleiter. Trägt dann aber ein Gedicht vor und singt gegen Ende „Stell dich mitten in den Regen“. Auch hier wieder wunderbar inszeniert, sodass das Damals und das Jetzt ineinander verschmelzen. Liebe, Eifersucht, Tod: die schwierigsten Themen konnten die Stimmen der Singenden nicht brechen. Die Inszenierung stärkte ihnen dabei den Rücken. Da kann man nur hoffen, dass es am Ende gute Noten gab und die Studenten an der Musikhochschule Köln mit Standort Aachen auch in den nächsten Jahren solch gute Inszenierungen auf die Bühne des Theater Aachen bringen. \ Von Kira Wirtz
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