Dunkel ist es auf der Bühne. Dunkel ist auch die gesamte Inszenierung. Nicht düster oder bedrohlich, sondern reduziert. Leer ist der Bühnenraum. Dafür wird viel mit aufwendigen Kostümen gearbeitet, mit verschiedenen Ebenen, dank langer Schals, die von der Decke gelassen werden. Die Kostüme wiederum sind bunt, aufwendig und vielfältig. Immer wieder erstaunlich ist es, was für ein Geräuschpegel im Zuschauerraum herrscht, bevor das Familienstück beginnt. Eltern und Kinder sind gleichermaßen aufgeregt, Schulklassen bahnen sich ihren Weg zu den Plätzen, hier und da wird die Sitzordnung korrigiert, Sitzerhöhungen durchgegeben, Gummibärchentüten rascheln. Doch in der Sekunde, in der sich der Vorhang hebt: Stille, faszinierte Blicke Richtung Bühne. Der Zuschauer – ob jung oder alt – ist gebannt. Und das wird sich in den etwas mehr als zwei Stunden, die die „unendliche Geschichte“ im Theater Aachen dauert, bleiben. Es sind viele Elemente eingebunden, die das jüngere Publikum begeistern, Darsteller auf Rollschuhen, eine von der Decke schwebende Prinzessin mit riesigen Puffärmeln und einem Reifrock, der mit leuchtenden LEDs verziert ist. Ein Glücksdrache mit schimmernden perlmutfarbenen Schuppen, der seinen funkelnden Schwanz abwerfen kann, braune Würmer, die sich zu bunten Schmetterlingen entpuppen. Es ist eben eine märchenhafte Welt, diese Phantasien, dessen Zugang der schüchterne, kleine Bastian Balthasar Bux (Petya Alabozova) durch das Lesen eines alten Buches erlangt und immer mehr in die Geschichte hineingezogen wird. Und genau dieses Phantasien schwebt in großer Gefahr. In der Parallelwelt, die sich im Laufe des Stückes immer mehr mit der Welt des Lesenden vermischt – wunderbar gelöst, mit sich überschneidenden Textpassagen und Spiegelwelten - werden alle Lebewesen, vom Nichts verschluckt werden, wenn nicht der mutige Atréju (Marlina Adeodata Mitterhofer) den Retter von Phantasien findet, der der kindlichen Kaiserin (Nele Swanton) einen neuen Namen gibt. Und so gelangt Bastian, der es in der echten Welt oft schwer hat, von Mitschülern verspottet und vom Vater nicht verstanden wird, nach Phantasien, tauscht Hoodie gegen Rüstung und Ängstlichkeit gegen Übermut. Es ist eine Heldengeschichte zweier Jungs, die hier mit zwei Darstellerinnen besetzt ist. Modern und doch klassisch. Immer in Aktion, immer voll da. Auch die anderen Darsteller, die viele unterschiedliche Rollen innehaben, glänzen. Generell hat die Inszenierung den Anspruch, ernsthaftes Theater mit Bildungsauftrag zu sein. Hier wird nicht auf die Tränendrüse gedrückt, sondern die wichtige Bedeutung von Mut und Freundschaft in den Vordergrund gestellt.
Damit bleibt der Regisseur nah an der Buchvorlage und verzichtet auf Plastik und Kitsch, der in der Verfilmung von 1980 überwog. Die Magie der Geschichte bleibt aber. Großes Theater nicht nur für Kinder. // Kira Wirtz
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