Ein stiller See, auf ihm Boote, die Bühne ist in blaues Licht getaucht. Hier beginnt die Geschichte des Trafikanten. Nach dem Tod des Gönners seiner Mutter – wunderbar absurd der erste Auftritt des Ensembles, bei dem man sich noch fragt: Wird das hier jetzt eine Lachnummer? – macht sich der junge Franz Huchel (Max Konrad) aus seinem beschaulichen Heimatdorf auf, um in Wien als Lehrling in einem Tabak- und Zeitungsgeschäft sein Glück zu suchen, sich dort in ein Mädchen zu verlieben und gemeinsam mit seinem neuen Freund Sigmund Freud (Jeff Zach) die Irrungen und Wirrungen der Liebe und Lust zu erörtern. Sein neuer Chef Otto Trsnjek (Paul Kaiser) wird bald für ihn zum Vorbild, der Beruf des Trafikanten zur Leidenschaft. Klingt alles wie eine schöne Geschichte vom Erwachsenwerden, wäre da nicht die Zeit des aufkeimenden Nationalsozialismus, der alles andere überschatten wird. Aber genau den Bogen schafft Regisseur Christoph Biermeier in seiner Inszenierung für das Grenzlandtheater.
Immer wieder erscheint das Stück auf unterschiedlichen Ebenen. Es wird stürmisch und wild, wenn das Ensemble in viele Rollen schlüpft, um das schlüpfrige Prater-Leben oder die laute Geräuschkulisse der Wiener Straßen zu erzeugen. Dann wird es träumerisch, wenn Franz aus den Briefen seiner Mutter und andersrum liest. Schließlich wird es ernst, wenn man merkt, wie sich der Nationalsozialismus ab Spätsommer 1936 ausbreitet. Was der Romanvorlage von Seethaler schon gelang, nämlich die schnörkellose Darstellung vom Erwachsenwerden, die Bedeutung von Träumen und der Einfluss des Nationalsozialismus auf das Leben der Menschen mit einer unglaublichen Leichtigkeit zu verbinden, gelingt auch in dieser Inszenierung. Immer wieder wird die Geschichte aufgelockert, vor allem durch das Schlüpfen in die unterschiedlichen Rollen, die mit einer unglaublichen Beweglichkeit und Tempo einhergeht. Julian Niedermeier und Fabio Piana werden vom Pfarrer zum Prediger, vom Metzger zum Kellner, vom Freund zum Feind. Das Publikum dankt es mit rasendem Applaus. Eine frische, gelungene Inszenierung, die – „Der Trafikant“ ist Schullektüre – ganze Schulklassen ins Grenzlandtheater lockt. Das tut dem Publikum gut, das wiederum tut dem Grenzlandtheater gut, das seit der Intendanz von Ingmar Otto vermehrt auf moderne Inszenierungen ohne Schenkelkopfer, sondern auf eine gute Mischung aus Ernsthaftigkeit und gesundem Humor setzt. //Kira Wirtz
bis 11.12.
„Der Trafikant“
20 Uhr, diverse Orte
Homepage Grenzlandtheater Aachen
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