Was lange währt, wird endlich gut? Die Premiere des 1656 uraufgeführten Dramma musicale „L’Orontea“ am Karnevalsfreitag fand nach zwei verschobenen Terminen vor einem nicht ausverkauften Haus statt. Dabei spaltete die Aufführung das Publikum wie frischer Koriander – die einen liebten es, die anderen wendeten sich entsetzt ab. Bei dreieinhalb Stunden Spielzeit wurde Ensemble, Orchester und dem Publikum viel abverlangt. Dabei galt Antonio Cestis „L’Orontea“ als eine der beliebtesten Opern des 17. Jahrhunderts und erfreute sich häufiger Aufführungen, bevor sie in Vergessenheit geriet. Mit der Reihe „Akzent Barock!“ widmet sich das Theater Aachen dem Spielen auf historischen Instrumenten, was die Fans barocker Musik über die Grenzen von Aachen hinaus anspricht und die Entdeckung dieser speziellen Musikrichtung nun auch im Großen Haus ermöglicht. Denn so viel vorweg: Das Orchester spielt phänomenal und allein die Leistung des musikalischen Leiters Christopher Bucknall im Multitasking-Einsatz als Dirigent und Organist ist absolut bemerkenswert. Inmitten des Liebesreigens um Orontea (Mezzosopranistin Fanny Lustaud), die Königin Ägyptens, die sich – wie diverse andere Damen des Hofstaates auch – in den gutaussehenden jungen Fremden Alidoro (Countertenor Thomas Scott-Cowell) verliebt, verbinden der junge Page Tibrino (Sopranistin Jelena Rakic´) und der Säufer Gelone (Bassbariton Sreten Manojlovic´) als komische Figuren die verschiedenen Handlungsstränge. Die Aachener Inszenierung versetzt die Handlung in einen sterilen, abstrakten Raum, in dem die Protagonisten mitunter etwas hüftsteif einem Vivienne Westwood-Catwalk gleich die Bühne abschreiten. Allein Gelone bricht mit lässiger Pluderhose und Hip-Hop-Tanzeinlagen diese Gediegenheit gelegentlich auf, insgesamt ist seine Darstellung die facettenreichste, weil seine Rolle ihm schauspielerische Eskapaden erlaubt. Während zur Zeit Antonio Cestis die Kostüme wahrscheinlich eher denen der Commedia dell’arte entsprachen, lässt Ludger Engels die Figuren in Glitzerschuhen, neonfarbigen Kleidern und Opernhandschuhen ihr „Bäumchen-wechsel-Dich“-Liebesspiel durchleben, bevor am Ende des dritten Aktes das Paar zusammenfinden kann. Also Ende gut, alles gut? Definitiv ja, denn mit L’Orontea bietet sich einerseits die seltene Gelegenheit wundervoll kraftvoll-beschwingte Musik auf alten Instrumenten zu hören und andererseits eine barocke Soap-Opera mit viel Witz zu entdecken. Vorausgesetzt man verfügt über das erforderliche Sitzfleisch, denn ein gemütliches Picknick, wie es im 17. Jahrhundert während der Aufführungen üblich war, ist im Theater Aachen nicht möglich. Von Belinda Petri
4.+18.3.
L’Orontea
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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