Ein Schaukelstuhl, der knarzt. Ein grauer Tisch, der dringend einen Anstrich benötigt. Ein deckenhoher Maschendrahtzaun und eine biedere Holzvertäfelung. Das ist das Heim von Miriam und Annabel. Oder zumindest das Geburtshaus von beiden. Für eine wird es auch der Sterbeort werden, für die andere ein innerlicher Triumph. Clever inszeniert Anja Junski den Krimi von Alan Ayckbourn mit Franziska Arndt als Annabel und Carolin Leweling als Miriam. Zusammen mit dem Bühnenbild von Tom Grasshof schafft sie es eine nicht gerade behagliche Atmosphäre aufzubauen. Gerade wenn gegen Ende unheimliche Laute aus dem Off auf fliegende Tennisbälle und flackerndes Licht treffen, die beiden Schwestern am Ende zwischen Freude und Verzweiflung lachen und weinen, ist klar: das hier ist ein Psychospielchen, auch für die Zuschauer.
Aber von Anfang an: Annabel kehrt nach Jahren der Abwesenheit in ihr Elternhaus zurück. Ihre Schwester Miriam kümmerte sich um den Vater, der lange Zeit ein Pflegfall war. Jetzt ist er tot und es geht um die Zukunft von Haus und Hof. Geerbt hat nicht die Pflegende, sondern – zu ihrem eigenen Erstaunen – Annabel. Adrett gekleidet mit zwei Rollkoffern betritt sie die Bühne. Sie passt irgendwie nicht her. Sie ist zu laut und zu lustig für das biedere Ambiente. Und während man sich kurz noch fragt, was nicht passt, kommt erster Grusel auf. Eine zweite Person betritt die Bühne. Irgendwie bedrängt sie Miriam, kommt ihr zu nah. „Ich war mal die Krankenschwester ihres Vaters“, stellt sich Alice Moody (Lena Sabine Berg) vor, nimmt dreist auf einem der Rollkoffer Platz und strampelt vor Freude wild mit den Beinen, als sie mit ihrer Forderung rausrückt: Sie will hunderttausend Pfund. Ansonsten verrät sie der Polizei, dass Miriam ihren eigenen Vater umgebracht hat. Als Beweis wedelt sie mit einem Brief. Annabel kann es nicht fassen. „Miriam ist der freundlichste, harmloseste Mensch“, verteidigt sie ihre Schwester. Doch man erfährt: Miriam musste sich 15 Jahre alleine um den Vater kümmern, während sich Annabel nicht sehen ließ und ihr Leben scheinbar genoß. Und als der Zuschauer Miriam kennen lernt, ist klar, dass an dieser ausgemergelten, farblosen Frau mit den fettigen Haaren und den nach vorne eingeknickten Schultern die letzten Jahre nicht spurlos vorbeigezogen sind. Caroline Leweling spielt die Rolle der Miriam. Kurz vor der Premiere – um genau zu sein zehn Tage vorher – sprang die Schauspielerin, die im Greta-Theater, der jungen Produktion des Grenzlandtheater, bereits Regie führte und bei „Das perfekte Geheimnis“ im Grenzlandtheater auf der Bühne stand, für die Rolle der Miriam ein. Eine beachtliche Leistung, bedenkt man, dass es nicht nur eine immense Menge an Text – es spielen hauptsächlich sie und Franziska Arndt – war, der eingeübt werden musste, sondern auch ein gewaltiges, schauspielerisches Geschick erfordert, diese wahrhaftig durchgeknallte Rolle, der schüchternen, fast kindchenhaften Schwester mit dem leicht wirren Blick einer Vielleicht-Mörderin zu spielen. Zusammen mit Arndt schaukelt sie das Stück von einer Stimmung und falschen Fährte in die nächste, dass man nicht nur einmal seine Meinung wechselt, wenn es heißt: Wer lügt hier eigentlich oder macht wem was vor? Unser Tipp: Hingehen und selbst herausfinden. kw
1.-22.3.
„Falsche Schlange“
20 Uhr, Grenzlandtheater (bis 7.3.)
Diverse Orte und Uhrzeiten (ab 11.3.)
Homepage Grenzlandtheater Aachen
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