39 verstrichene Jahre. Lebensmitte. Wohin? Wie? Und warum? Auf dem dünnen Glas des Spiegels balancierend, das uns vom Wunderland trennt, an der Grenze, wo das Leben sich vom Theater trennt, oder viel mehr, wo das Leben auf das Theater trifft, genau dort sprengt Petya Alabozova die Grenzen des Spiels und hüllt diese unsichtbare Schwelle in ein Gewand der Poesie. „Inside other spaces“ heißt eine Ausstellung im Münchener Haus der Kunst zur Geschichte der Environments. Räume, Farben und Formen, die sich uns wie ein warmer Mantel anbieten, zum Fühlen, Erleben und Anfassen. Bei „All das und das Nichts“ werden wir in Gebilde aus Worten eingelullt, in Gedankenlabyrinthe entführt – Anfang, Mitte und Ende, das Sein und irgendwann das Nichtsein, die Weite zwischen der Enge der Gebärmutter und des Grabes. Was für eine Spannbreite! Da sich diese Inszenierung in ihrem Wesen einer Rezension entzieht, bleibt dies der Versuch einer Reflexion. Als würde man sich auf die Suche nach dem eigenen Wunderland machen. Wir sind das Kunstwerk – ein wesentlicher Gedanke der Fluxus-Art, die zusammen mit dem Kunstprojekt „Learning to love you more“ als Skelett der Inszenierung dient. Petya Alabozova haucht diesem Gerippe mit fast kindlicher Unschuld, einer frechen Unangepasstheit und poetisch-philosophischem Zauber so viel Leben ein, dass es für mehrere reichen könnte. Dabei ist es ihr Leben, ihr Sinnieren, ihre Poesie, deren Zeugen wir sein dürfen.Sie drängt sich nicht auf, sie bietet an, sie entführt in Gedankenpaläste, schaut bei Seneca vorbei, doch vorher hält sie bei Dante, nur um kurze Zeit später mit Schlingensief und Beuys die Welt neu zu entdecken. Sie lernt, sich mehr zu lieben, zu schätzen, zu erleben. Sie lädt uns ein, unseren Blick in ihre Seele zu einem in die eigene zu verwandeln. Das, was als eine einsame Betrachtung anfing, mündete in ein Gemeinschaftsprojekt, betont Petya Alabozova bei der Premierenfeier. Nicht nur ihr Freund Martin Kühn (Livemusik) stand ihr zur Seite. Jetzige und ehemalige Kollegen, befreundete Theatermacher und sogar ihre Mutter steuerten Gedankengut bei. Eine Renaissance der Sinnlichkeit, bei der Lebende und Tote eine Stimme erhalten, um anzustoßen, zu irritieren und zu inspirieren, um Leben und Kunst in eine neue Liebesbeziehung zu führen. Alles fließt. Auch wenn Heraklit an diesem Abend nicht zu Wort kommt, fühlt man den Fluß der Inszenierung, spürt die Wellen, die Veränderung.Lebendiges, wundersames Theater! \Enikö Kümmel
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