Hektisch treten die Figuren an den mikadoähnlichen Stäben des Bühnenbilds (Frank Rommerskirchen) vorbei. Sie reden, verhandeln, diskutieren, machen Deals. Charlie Babbit, wunderbar zwielichtig gespielt von Mehdi Salim, legt seinen Auftritt hin. Gibt sich cool, lässig, unnahbar und mit angezündeter Kippe in der Hand. Der Geruch des Qualms steigt den Zuschauern in den vorderen Reihen in die Nase. Ein Knall. Sekt spritzt auf den Boden. Es gibt etwas zu feiern, wieder einmal wurde ein Deal abgeschlossen, wieder einmal ein Auto verkauft. Das Gewinnen ist hier ein routinierter Prozess.
Dann der Anruf, der Charlie Babbits Leben für immer verändern soll. Als er vom Tod seines Vaters erfährt, erstarrt er kurz. Man fragt sich: Was geht in ihm vor? War das ein Anflug von Trauer in seinem Gesicht? So schnell die Trauer auch kam, so schnell war sie auch wieder fort und Babbit ist wieder ganz der Alte. Susan (Franka Engelhard), die Frau an seiner Seite, sorgt sich. Sie redet auf ihn ein, versucht ihn zu trösten und ihm Gefühle zu entlocken. Ihre Worte prasseln auf ihn ein, als wollte sie ihn schütteln und wachrütteln. Vergebens.
Dann der nächste Schock. Charlie erfährt, dass er einen autistischen Bruder namens Raymond (Frank Siebenschuh) hat. Nur kurze Zeit später steht er ihm zum ersten Mal gegenüber. Doch nicht weil Zuneigung ihn angetrieben hat. Nein, er möchte an das Erbe ran, das sein Vater seinem Bruder überschrieben hat. Um sein Ziel zu erreichen, sind Charlie alle Mittel recht. So kommt es dazu, dass er seinen Bruder entführt. Was er nicht ahnt: Er wird auf der Reise von seinen eigenen Gefühlen überrascht.
Raymond ist in seinem Leben genaue Strukturen und Abläufe gewöhnt. Ihm fällt es schwer Gefühle auszudrücken. Immer wieder verfällt er konsequent in die gleiche Pose: Beim Sitzen neigt er den Kopf leicht zur Seite, die rechte Hand ruht auf seinem Oberschenkel und die linke Hand hält er leicht wackelnd vor sich erhoben. Frank Siebenschuh spielt Raymond authentisch und in Perfektion. Gerät Raymond in eine Stresssituation, so durchleidet er schnell einen Anfall. Das ganze Verhalten Raymonds ist Charlie völlig fremd. Am Anfang reagiert er darauf wütend und verständnislos. Doch er lernt ihn immer besser kennen und findet heraus, dass sie viel mehr verbindet als ein gemeinsamer Vater. „Lustige Zähne … lustiger Rain Man“, sagt Raymond plötzlich. Charlie blickt ihn verwundert an: „Du bist Rain Man?“ Charlies Fantasiefreund, den er geglaubt hat, sich einzubilden, stellt sich als sein Bruder heraus, der in seiner frühen Kindheit immer bei ihm war. Die Geschichte der beiden Brüder ergreift das Publikum. Kein Wunder, das die Verfilmung der Geschichte 1989 vier Oscars erhielt.
Wie bringt man seinen Theatergästen das sensible Thema Autismus nahe? Wie macht man seinem Publikum die Wertschätzung seiner Mitmenschen deutlich? Und wie gelingt es einem alle Gäste im Saal gedanklich abzuholen, nicht nur elitäre Kreise? Die Antwort: Genauso wie es das Das Da-Team um Regieleiter Tom Hirtz geschafft hat, mit viel Humor, großartiger schauspielerischer Leistung und einer noch größeren Portion Menschlichkeit. \ vb
Diverse Termine
„Rain Man“
20 Uhr (So 18 Uhr), Das Da Theater
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