Wedekinds Drama „Lulu“ war bei seiner Uraufführung vor rund 100 Jahren bereits ein Skandal. Es ist ein Stück für die Selbstbestimmung des Menschen jenseits moralischer Zwänge und gegen die Ausbeutung der Frauen durch die Männer. Engels will sich des Themas annehmen, es in die Zukunft führen und drei Lulus kreieren, die sich der Zuschauer an unterschiedlichen Orten? ansehen und ihre Geschichte mitverfolgen kann.
Wer ist Lulu?
Lulu sind Sie und ich. Lulu kann eine Frau oder ein Mann sein. Beides oder keins von beidem. Es könnte Britney Spears sein, die Jungfrau Maria, aber auch James Dean. Lulu ist eine Projektionsfläche für Fantasien – sowohl für Männer als für Frauen. Mir ist wichtig, dass es in unserer Inszenierung nicht nur schwarz oder weiß gibt. Oder besser gesagt, ich stelle gar nicht erst in Frage, dass es nur schwarz und weiß gibt.
„Lulu“ gilt als Statement für die Emanzipation der Frau. Ist ihre Inszenierung das auch?
Ist es denn so emanzipatorisch? Sagen wir mal so, in jeder Dekade, in der Lulu aufgeführt wurde, war die Projektion auf Lulu anders. Aber ich habe „Lulu“ zeittypisch geändert. Doch eines zum Beispiel bleibt: Allein der Name Lulu ist für viele völlig erotisiert. Es klingt für manche nach Lolita, jemand der Lulu heißt, muss doch verrucht sein, mag man denken. Warum ist das so? Warum projizieren wir allein auf einen Namen eine solche Botschaft?
Was wird denn auf eine moderne Lulu projiziert, was in früheren Inszenierungen nicht zur Sprache kam?
Natürlich bekommt man aktuell mit der Gender- und Metoo-Debatte einen neuen Blick auf Lulu. Aber es geht nach wie vor um das Scheitern einer Person, da die Erwartungen, die andere an sie haben, nicht erfüllt werden können. Es ist die Suche nach Geborgenheit, die Lulu irgendwie antreibt und doch ist sie für ihr Gegenüber nicht mehr als ein Objekt.
Wodurch kommt das?
Es ist die Art, wie sie eine Aufgabe erfüllt, tanzt, posiert, in Rollen schlüpft, um zu gefallen und die Angst, das nicht mehr zu tun. Die Angst „Nein“ zu sagen. Die Inszenierung soll ein Bewusstsein schaffen.
Und das schaffen Sie wie?
Indem ich unterschiedliche Perspektiven schaffe, die die Zuschauer betrachten können. An unterschiedlichen Orten. Das geht am besten, wenn man auch das Ensemble miteinbezieht. Das schafft neue Perspektiven auf die Figuren, aber auch neue Texte und Musik werden so ergänzt. Es wird drei Ebenen – in und vor dem Theater – geben. Man wird von Spielstätte zu Spielstätte geleitet. An den Orten kann man sich frei bewegen. Jeder dieser Ebene eröffnet einen neuen Blick auf Lulu. Die Abfolge der Szenen kann an allen Orten gleichermassen verfolgt werden, sind überall zu hören, man verpasst also zu keiner Zeit etwas.
Also wird das ganze Theater zur Bühne?
Das Theater wird zum Erlebnisraum. Es ist mir immer wieder in meinen Inszenierungen wichtig, durch neue Wege Räume zu erobern und zu erleben, und so einen unmittelbaren Zugang zum Stoff und der Thematik zu finden. Auf der Bühne, im Zuschauerraum, im Spiegelfoyer und auf dem Vorplatz wird „Lulu“ zu sehen sein. Die Bühne auf dem? Theaterplatz soll ein Ort werden, an dem jeder auftreten kann, wo „Aachener Lulus“ einen Teil ihrer Geschichte in kleinen Performances vorstellen können. Der Wunsch ist, mit dieser Bühne an anderen Orten in der Stadt Möglichkeiten für alle zu schaffen, sich kreativ zu äußern.
25.9. (Premiere)
„Lulu“
19.30 Uhr, Theater Aachen
Zum Inhalt
Das Straßenmädchen Lulu wird von Dr. Schön, ihrem späteren Mentor und Geliebten, von der Straße geholt und an Männer verheiratet, die sie versuchen nach ihrem Bild zu formen. Ohne Erfolg. Sie wird gedemütigt, liebt dennoch immer wieder bedingungslos, geht auf den Strich und fällt am Ende dem Lustmörder Jack zum Opfer. \ kw
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