Ein Rucksack mit Ponymotiv darauf sorgt in der Schule für Probleme. Der 10-jährige Luis wird wegen des Rucksacks gehänselt und gemobbt. Seine Eltern sind alles zwischen ratlos und rastlos. Sein Vater unterstützt ihn und meint, dass er tragen darf, was er möchte, während seine Mutter den Rucksack lieber verschwinden lassen würde, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Geschichte stellt jedoch größere Fragen, insbesondere die Behandlung von Menschen, die als „anders“ angesehen werden, nicht der Norm entsprechen. Aber es geht auch um die sexuelle Orientierung von Luis, seine geschlechtliche Identitätsfindung, seine Flucht in die Serienwelt von „My Little Pony“. Und es geht um eine Familie, die den Kontakt zu seinem Kind verliert und die Einstellungen der Eltern zu Geschlechterstereotypen.
Schwerer Stoff mit süßem Titel. Der spanische Dramatikers Paco Bezerra ist bekannt für seine poetisch anspruchsvollen Texte mit Tiefgang, so auch bei „My Little Pony“. Für Eva Offergeld wird es die erste alleinige Regie am Theater Aachen sein. Angst macht ihr das nicht, hier überwiegt die Freude an Geschichte und Text. „Als ich den Text angefangen habe zu lesen, war ich sofort in der Geschichte drin. Es ist nicht nur der Inhalt, der fesselt, es ist auch die Sprache, die fasziniert.“ Luis selber wird man im Stück nicht kennenlernen. Wir sehen nur seine Eltern Irene (Luana Bellinghausen) und Jakob (Benedikt Voellmy), die sich über ihren Sohn und das Geschehen um ihn herum unterhalten, streiten, diskutieren. „Man verliert das Gefühl für alles Zeitliche. Daher ist die Bühne auch kein realer Raum, sondern ein Kunstraum für das Innenleben der Figuren,“ verrät Reinar Ortmann. „Rabea Stadthaus wird einen abstrakten Raum schaffen, der Luis Lebenswelt zeigt. Ein Schulraum, vielleicht Sportequipment.“ Dadurch stellt sich noch vielmehr die Frage: Wie gut kennen die beiden ihr Kind? Oder eben: Wie fremd ist es ihnen?
„Mich hat von Anfang an fasziniert, dass man bei den Eltern nie sagen kann, wer richtig handelt und wer falsch. Man kann beiden bis zu einem gewissen Grad Verständnis abringen, dann wird man wieder überrascht und auf verschiedene Fährten gelockt,“ erklärt Offergeld. Reinar Ortmann geht sogar noch weiter: „Es hat Momente von einem Psychothriller. Wir sehen an Action nicht viel, nehmen aber unglaublich viel wahr. Auch über die Sprache.“ Man habe das Bedürfnis, laut in den Raum zu schreien: Was macht ihr da? Warum handelt ihr so? „Beide Figuren sind nahbar, wollen das Beste für den Sohn. Aber bei ihrem sprachlichen Sender-Empfänger-Modell läuft einiges schief und dadurch kommen sie nicht auf einen Nenner“. Dazu kommt die Macht der Schule, die definiert, was für Kinder „normal“ ist. Und das größte Unglück ist, dass es eigentlich um Luis geht, er sich in einem wichtigen Prozess befindet und dabei nicht gehört wird. „Luis wird nicht gefragt und nicht gehört. Dadurch zieht er sich immer weiter in seine Welt zurück“, weiß Offergeld.
Rund 75 Minuten wird das Kammerspiel dauern. Ohne Pause, damit man nicht aus dem Stück gezogen wird. Und der Zuschauer wird wohl noch eine Weile damit beschäftigt sein, wie tolerant oder intolerant eine Gesellschaft ist und wo man sich selber mal besser an die eigene Nase packen sollte. (Kira Wirtz)
5., 12.+20.5.
„My Little Pony“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
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