„Die Kunst der Freude“ ist ursprünglich ein Roman, der sinnlich, scharfsinnig und visionär die Lebensgeschichte einer Frau erzählt und seiner Zeit weit voraus war. Am Theater Aachen bringen Schauspielleiterin Kerstin Grübmeyer und Regisseurin Anaïs Durand-Mauptit die Geschichte von Protagonistin Modesta nun auf die Bühne. Modesta wird im Jahr 1900 auf Sizilien geboren. Sie stellt die Freude ins Zentrum ihres Lebens und kämpft rigoros für ihre Unabhängigkeit und Freiheit. Auf ihrem Weg trifft sie einige für die damalige Zeit skandalöse Entscheidungen.
Freiheit und Freude sind also die Hauptmotive der Hauptfigur und auch des Theaterabends. Aber was bedeutet Freiheit? Und was Freude? Regisseurin Anaïs Durand-Mauptit hat für Modesta eine klare Antwort: „Es ist ihre Entscheidung, wie sie leben will. Mit Energie und Lust dem Leben zu begegnen und aus dem Erlebten das Beste für sich herauszuholen. Dafür befreit sie sich von allem, was sie bedroht.“ Kerstin Grübmeyer fügt hinzu: „Sich als Frau diese Freiheit zu erkämpfen war Anfang des 20. Jahrhunderts viel schwieriger. Aber wenn man sich diese erkämpft, kann man mit Freude über sein Leben verfügen.“ Und Freude ausleben, bedeutet bei Modesta, sie mit allen Sinnen zu leben. „Die Skrupellosigkeit dieser jungen Frau ist wohl das Skandalöseste. Aber um ihre eigenen Ziele zu erreichen, müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Und dabei bricht sie auch Tabus.“ Dennoch könne man sich mit Modesta immer identifizieren, sagt Kerstin Grübmeyer: „Man versteht Modestas Entscheidungen immer. Ihr Leben ist genau jetzt. Und da gibt es keine Kompromisse.“
Das Buch der sizilianischen Autorin Goliarda Sapienza wurde 1976 fertig gestellt, es umfasst rund 700 Seiten, 60 Jahre Leben der Hauptfigur und neun Jahre Arbeit der Autorin. Sapienza fand 20 Jahre keinen Verlag, der ihr Werk publizieren wollte – erst Jahrzehnte später wurden der Roman und seine Autorin wiederentdeckt. In Aachen kommt „Die Kunst der Freude“ als deutsche Erstaufführung auf die Bühne.
Aus 700 Seiten einen kurzweiligen Theaterabend zu machen, war die erste Aufgabe von Durand-Mauptit und Grübmeyer. Es wurde radikal gekürzt, der Figurenbaum genau untersucht, die wichtigsten Beziehungen herausgestellt. arbeiteten beide gemeinsam an der Theaterfassung. Jetzt umfasst die Theaterversion rund 80 Seiten, eine Spieldauer von rund drei Stunden und drei Darstellerinnen für die Rolle der Modesta, je nach Alter, in dem sie sich befindet. Zudem hat Durand-Mauptit einen Inszenierungsansatz gewählt, der durch spielerische und musikalische Elemente eine Leichtigkeit erzeugt. „Es wird politisch und klug, gefühlvoll und melodramatisch.“ Durch die Musik, die Malcolm Kemp dem Stück beisteuert, können Übergänge geschaffen und Intimität dargestellt werden. „An der ein oder anderen Stelle bekommt das Stück dadurch auch eine gewisse Pop-Schlager-Ästhetik. Aber bei Modestas 60 Jahre andauernder Befreiung, scheuen wir uns nicht, Spaß zu zeigen und zu haben.“ Das verspricht ein lustvoller Abend zu werden, der die Rolle der Frau klar in den Fokus stellt. Egal zu welcher Zeit. Immerhin ist das echte Leben jetzt. (Kira Wirtz)
3., 17.+24.2.
„Die Kunst der Freude“
19.30 Uhr, Großes Haus, Theater Aachen
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