Seit März 2020 verändert der Corona-Virus den Alltag. Wie Kunstschaffende und Fotografen darauf reagiert haben, zeigt sich in drei Ausstellungen, die farblich unterschieden sind und jeweils einen Katalog erhalten. Arbeiten von 100 Kunstschaffenden aus der Region werden auf blauem Grund nach 27 Aspekten aufgefädelt. Acht Fotografinnen und Fotografen dokumentieren ihr Erleben in einer beigen Kabinettnische. Im hellgrau getönten Foyer sind Reaktionen von neun Partnerstädten Aachens sichtbar gemacht.
Die Partnerstädte Aachens haben mithilfe von Partnerschaftsvereinen Fotografien und Materialien geliefert, aus denen ein Eindruck von Geschehnissen der letzten zwei kontaktarmen Jahre in diesen Orten gewonnen werden kann. Partnerstädte sind: Montebourg (F seit 1960), Reims (F seit 1967), Halifax/Calderdale (GB seit 1979), Toledo (E seit 1984), Ningbo (CHN seit 1986), Naumburg (D seit 1988), Arlington (USA seit 1993), Sariyer (TR seit 2013) und Kapstadt (ZAF seit 2016). Die Rahmenbedingungen waren überall anders, zumal die Einwohnerzahlen zwischen 2000 und sechs Millionen schwanken. Das russische Kostroma (seit 2005) ist nicht dabei. Unter dem Titel „Andere Städte“ bieten Wandabschnitte im Foyer des Museums Einblicke.
Das Neue Stadtmuseum Centre Charlemagne hat das schnell als bedeutend einzuschätzende Geschehen seit dem ersten Lockdown von Arthur Jaworski, Thomas Langens und Karin Odendahl im Auftrag dokumentieren lassen. Zu deren Aufnahmen kommen in der Ausstellung „Andere Blicke“ fünf weitere selbst aktiv gewordene Fotograf*innen: Brigitte Averdung-Häfner, Birgit Franchy, Andreas Herrmann, Anett Hoffmann und Marianne Langen. Deren jeweilige Motivik und Stilmittel sind in Blöcken von meist sieben Fotografien vertreten. Außer den leeren Städten bieten die Alltagsbeobachtungen Szenen aus Aachen, die vom Leergut über isolierte Senior*innen bis zu Impfzentren und leeren Litfaßsäulen reichen.
100 Kunstschaffende von Baelen bis Eschweiler und Übach-Palenberg bis Konzen haben in 175 Arbeiten unterschiedlicher Machart von Zeichnung bis Animationsfilm und Plastik bis Installation ihre künstlerischen Reaktionen auf die Corona-Pandemie zur Verfügung gestellt. Mit leicht chronologischen Ansätzen sind die Werke in 27 Aspekte sortiert, die sich mit Empfindungen und Maßnahmen befassen. Die Pandemie von Wuhans Fledermäusen an als Phänomen der Belastung und als nur ein Problem unter Vielen machen den Anfang. Die Erwartungen, Anspannungen, Krisenstimmungen und Irritationen werden sichtbar. Das Virus bekommt ein Gesicht und wird als Corona personifiziert. Es kommt zu Lockdown und Stillstand, Maskenpflicht und Kontakt- und Ausgangssperren. Die Wirkung ist Einsamkeit, Isolation, Homeoffice und geschlossene Schulen. In den Krankenhäusern herrscht Atemnot und Leidensdruck. Belastetes Personal und Bevölkerung nehmen Stellung zum Impfen und zum Testen. Verunsicherung, Angst, Distanz und Abstand werden als Fremdbestimmung, Freiheitsentzug und Kontrollverlust wahrgenommen und führen zu Widerstand und Depression. Erneut wurden die Landesgrenzen abgeschottet. Schutzsuche und Einigeln lassen Körper und Formen verschwinden und führen angesichts der Einschränkungen der Kultur zur Konzentration aufs Atelier, zu Melancholie und zu neuem Bezug zur nahen Natur. Lesekultur und Musikkonserven verstärken die Phantasievorstellungen und legen das Innenleben frei. Aber es gibt auch Ausstellungen wie „Alles Anders“ oder Distanz und Nähe oder Poesie des Lockdowns, die sich mit diesen Veränderungen produktiv auseinandersetzen. Gleichmut, Zuversicht und Tatkraft nehmen die Veränderungen an und setzen sich mit den Folgewirkungen auseinander. Die Betrachterinnen und Betrachter sind eingeladen sich mit dem Ausdrucksangebot der Künstlerinnen und Künstler auseinanderzusetzen und ihre eigene Erfahrung zu durchforsten. //Dirk Tölke
bis 19.2.
„Ausnahmezeiten – Ein Virus übernimmt den Alltag: Andere Bilder, Andere Blicke, Andere Städte“
Centre Charlemagne
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