Zwei Künstler stellen zusammen in der Förderpreissammlung Kunst aus NRW aus. Beide drücken Empfindsames in vergröberter Form aus. Der Bildhauer David Abraham Christian setzt aus einfachen Elementen fragil gestülpte und verwobene Turmstelen mit archaischer Wirkung zusammen, die dann in Bronze gegossen werden, dabei aber für Bronze untypische Wunden, Abplatzungen und Wulstigkeiten behalten, die der Veredelung durch das Material zuwiderlaufen. Die zu Siebenergruppen symbolträchtig gruppierten und auf Plateaus gewichtig gemachten Formkörper mit Windungen, Zacken und Stufungen tragen als Architekturelemente mit Tempelallüren kulturübergreifende Züge, ohne zu leugnen, dass ihre Wirkung banaler Gegenständlichkeit wie Zuckerdosen oder Vasen als Formfunden entstammt. In ungeschlachter Bedeutsamkeit nehmen sie vom Raum und vom Betrachter Besitz und führen ihn in die Irre meditativer Assoziationen. Markant windet sich ein übermannsgroßes Looping-Gebilde aus kreisförmig verkeilten Winkelblechen, dessen verzahnter Schlangenkörper durch die Schlingenöffnung zum endlosen Kreis verbunden wurde. Eine Kunstform.
Erdachte Körper, die die Tradition der Werkstoffsprache neu definieren. Das macht auch der Zeichner Hermann Joseph Mispelbaum. Er benutzt Linien, aber er zeichnet nicht im herkömmlichen Sinne. Er macht keine Skizzen, Entwürfe oder Vorzeichnungen, sondern er collagiert Striche mit ausgeschnittenen Strichen. Er nutzt Papier teils übermannsgroßer Formate und besetzt es mit Linien oder bearbeitet es direkt mit Graphitpulver. Trotz exakter und mit festem Druck gesetzter Konturen entsteht so eine handgemachte, verwischte, teilradierte Rudimentäratmosphäre, die sich um klinische Perfektion nicht schert, sondern den Werkcharakter permanenter Vorläufigkeit bewahrt und die Zeichnung als konstruiertes Liniengeschehen begreift und nicht als Notation und Vermittlung komplexer Sinnzusammenhänge in tradierter Darstellungsform, als Ideenkürzel. Eine ganz eigene Welt von geometrieaffinen zentralaxialen Türmungen entsteht, die von nestelnden und kryptisch angedeuteten Figurfragmenten wie Mehltau besetzt scheint. Torsi kniender Atlanten stemmen da den oft beherrschenden Weltkreis im Zentrum der mittelformatigen Blätter, der Zeichen eines eigenständigen Liniversums sein dürfte, in dem sich die widerspenstigen Phantasmen ereignen, die zwischen Mythologischem und Märchenwald changieren und durch einen Linienrahmen begrenzt werden. Schicksalshaltige Alltäglichkeit, Banalität und Tiefe zugleich deuten auch die Titel an, die Erdverbundenheit, überwundene Krankheit und belastende Zwänge andeuten. Eine Serie Zeichnungen von erstaunlicher Geschlossenheit umkränzt die Räume und die Plastiken und besteht durch subversive Eigenständigkeit und Vielfalt in den Subformen des erfundenen Vokabulars, dessen erzählerisches Wispern aufhorchen lässt. Eine Neudefinition von Zeichnung. /// dito
bis 23.10.
„Hermann Josef Mispelbaum – Zeichnungen „
„Abraham David Christian – Skulpturen“
Kunst aus NRW, Kornelimünster
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