Thomas Stricker, in Düsseldorf lebender Schweizer, ist ein umtriebiger Weltkünstler. Da er eigentlich nie ausstellt, sondern landartmäßig Projekte in gerne entlegenen Orten verwirklicht, haben Nina Mika-Helfmeier von der Städteregion Aachen und das KUK in Monschau notgedrungen und tugendschaffend über die Finanzierung eines Kataloges und dessen friesartige Ausstellung eine Möglichkeit gefunden, zu vermitteln, was Stricker weltweit veranstaltet. Am Leitstrang des Kataloges sind dennoch Ausstellungsstücke, Modelle und Fotos auf Podesten und Wandregalen zu sehen, die neugierig machen auf eine Begegnung mit den Originalen.
Bei der Abarbeitung seiner 108 selbstgestellten Fragen, was mit Skulptur auch an gesellschaftlicher Einwirkung möglich ist, hat Stricker alle Register gezogen und, dabei durchaus klassisch bleibend, auch bislang Unregistriertes gefunden. Ob er sich mit Kompostierungsflächen in südamerikanischen Großstädten befasst oder mit Fossilien und Meteoriten, stets geht es um die plastische Natur der Natur und ihre künstliche Aneignung und Betonung. Er erfindet neue fossile Strukturen, indem er, das Analogiedenken nutzend, Styropor ausschabt und als Gussform verwendet und so zu schuppigen Kristallisationsformen, zu vergesellschafteten Gruppenstrukturen findet. Meteoriten interessieren ihn als extraterrestrische Naturplastik ebenso, wie ein Kunststoffgebilde, das in einer Baumkrone mitwächst. Stets lotete er die Grenzen aus und nutzt seine Projekte, um Fragen zum Wesen von Natur, Kultur und Skulptur zu stellen und ihren Verbindungen zum Menschen. Poetische Lösungen sind ihm gelungen mit einem blitzgestaltigen Edelstahlgeäst in Grevenbroich, dass bei nächtlicher Beleuchtung den Einschlag eines im Hochgeschwindigkeitsbild eingefrorenen Blitzes mimt.
Das KUK, nunmehr Monschauer Kulturzentrum der Städteregion – ohne die Künstlerateliers des früheren Kunstförderungskonzeptes – macht in letzter Zeit mit publikumsträchtigen Ausstellungen von sich reden (2011 bislang 23000 Besucher), wie etwa den SW-Porträts des niederländerischen Kultfotografen Anton Corbijn oder den noch zu sehenden selektiven Sammlungsbeständen des MARTA Herford, die in kluger Auslagerung auch der hiesigen Region ein Bild dieses avantgardistischen Museums vermitteln vermögen.
In der Tiefe des ländlichen Raumes ist die Avantgarde immer noch echt krass. Wie 1970 bei der ersten Umweltausstellung überhaupt, hat gerade in einer beschaulichen Kleinstadt wie Monschau, von Internetkenntnissen gemildert, die Welt der Avantgardekunst und der ästhetischen Diskurse ein Publikum, das erst noch mühsam an die Fragestellungen einer globalisierten Welt herangeführt werden will. Stätte, Wille und Mittel sind da, die Auseinandersetzung kann nun fruchtbar werden und in Betrachtern keimen oder Auseinandersetzung über Widerspruch erzeugen. Was ist die Gegenwart? Etwas, dass man mag oder verdrängt, duldet oder selbst erfindet? Erst in der Wahrnehmung der fremden Weltsicht erkennt man die eigene. Und da haben Kunstausstellungen viele zu bieten. Die Freiheit wird nicht nur am Hindukusch, sondern auch in Monschau verteidigt.
/// Dirk Tölke
bis 18.12.
Thomas Stricker – the good times
bis 31.12.
Die Unwahrscheinlichkeit des Augenblicks.
Werke aus der Sammlung MARTA Herford
KUK Monschau
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