Dass der lebhafte Schmuggel nicht nur für die nostalgisch-verklärte Nachkriegszeit steht, zeigt die aktuelle Ausstellung im Centre Charlemagne.
Mit „Mokka Türc & Marihuana“ hat das Team um Thomas Müller, neuerdings für das Zollmuseum Friedrichs zuständig, und Myriam Kroll, Kuratorin des Centre Charlemagne, einen prägnanten Titel gewählt, um sich im kompakten Ausstellungsraum des Stadtmuseums mit einem großen – und globalen – Thema auseinanderzusetzen.
Lebhafte Ausstellung
Dabei ist vor allem die Ausstellungsarchitektur sehr gelungen: verdichtete Geschichte in bunten Papphäuschen. Durch die ansprechende Präsentation wird die Ausstellung lebhaft und macht Lust, sich auch mit der vertiefenden Dokumentation mit Fotos, zeitgenössischen Film- und Tonaufnahmen zu beschäftigen.
Die Aachener Region ist spätestens seit dem 19. Jahrhundert ein Eldorado für Schmuggler jeder Art: Die ehemalige Eisenbahnstrecke zwischen Aachen und Luxemburg, heute als Vennbahnweg beliebt bei Freizeitsportlern, kreuzt deutsches und belgisches Gebiet.
Mit dem völkerrechtlichen Kuriosum Neutral-Moresnet, einer 343 Hektar großen Mikronation, existierte zwischen 1816 und 1919 ein echtes Steuerparadies mit zahlreichen illegalen Schnapsbrennereien und schwunghaftem Alkoholhandel.
Aber es ist nicht immer nur kriminelle Energie, die Schmuggel fördert, gerade nach den verherenden Kriegen war es die pure Not, die die Grenzbewohner zu Schmugglern machte: „Hamstern“ zum Überleben, ob Kohleklau oder Zigarettenschmuggel; der illegale Handel mit den Nachbarländern sicherte das Einkommen ganzer Familien.
Beachtliches Arsenal
Bereits in der Weimarer Republik trugen die Frauen doppelte Röcke, in deren Futter die Schmuggelware versteckt wurde. Der Erfindungsreichtum der Schmuggler kannte kaum Grenzen: Kaffeebohnen im Holzbein, Zigaretten in der Aktentasche, Drogen in der Haarbürste … Das Zollmuseum Friedrichs verfügt über ein beachtliches Arsenal an Fundstücken, das – neu gesichtet und bewertet – in der Ausstellung mit Archiv- und Privatobjekten ergänzt wird.
Die Präsentation beleuchtet beide Seiten des Schmuggels: auch die strafverfolgenden Behörden, sprich Polizei und Zoll, werden in ihrem sisyphoshaften Kampf gegen die Steuerpreller vorgestellt. Bei den seit 1948 eingesetzten Zollhunden, vor allem speziell ausgebildetete Schäferhunde, machte besonders „Raudi“ Karriere: Er wurde 1952 nach über 800 gestellten Schmugglern als bester Zollhund Deutschlands ausgezeichnet.
Keine Sozialromantik
Ringt man sich bei dem ein oder anderen Foto zu kurios gepanzerten Fahrzeugen, stolz präsentierten VW-Käfern und Motorrädern mit Beiwagen als Polizeifahrzeugen und dem legedären „Besen-Porsche“ ein Lächeln ab, bleibt dieses aber bei der brennenden Aktualität des Themas im Halse stecken.
Der weltweite Drogenschmuggel entbehrt ebenso wie der Menschenhandel jeglicher Sozialromantik, jede Meldung in den Nachrichten zu Drogenhandel, Medizinplagiaten, Zwangsprostitution und Schlepperbanden ist die Fortführung des kleinen, alltäglichen Schmuggels als organisierte Kriminalität. Und deutlicher als die Kühlvitrine mit der „Ware Frau“ kann die Ernsthaftigkeit nicht dargestellt werden.
„Mokka Türc & Marihuana – Schmuggel an der Aachener Grenze“ gibt einen umfassenden und im Rückblick nahezu amüsanten Einblick in die Geschichte des Schmuggels, der angesichts der brisanten Aktualität einen beklemmendem Nachgeschmack erhält. Absolut empfehlenswert! \ Belinda Petri
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