Von Kevin Teichmann
Medial für mehr Aufsehen hat sicherlich der neue Nachbar Tim Berresheim gesorgt. Der international anerkannte Computer-Künstler hat Anfang Januar in der Hartmannstraße 26 seine Galerie „Auge & Welt“ eröffnet. Fast heimlich, aber in jedem Fall still und leise ging zuvor im Dezember nebenan bereits der „Fashion Square Concept Store“ im Haus mit der Nummer 28 an den Start. Auf den ersten Blick scheinen die Unterschiede riesig zwischen dem Kunstprojekt und dem Modeladen. Sie haben aber auch eine Gemeinsamkeit.
Tim Berresheim wie auch die Geschäftsführer der Boutique, Klaus Kroeger und Helene Kroeger-Biber, profitierten von der Initiative „Ladenliebe“. Diese ermöglicht stark vergünstigte Mietpreise für neue Geschäftsmodelle und resultiert aus einer speziellen Förderung des Landes NRW gegen Leerstand (siehe „Am Rande“). Aachens Citymanager Kai Hennes interpretiert das Förderprogramm, das in Aachen den Namen „Ladenliebe“ trägt, wie folgt: „Es geht nicht unbedingt darum, Leerstände zu beheben, die es vor Corona schon gab. ‚Ladenliebe’ soll die Auswirkungen von Corona auf die Innenstadt auffangen.“ Dazu gehört, Anreize zu schaffen, um ein neues Geschäft zu errichten. Und zwar dort, wo Leerstand herrscht.
Die Stadt Aachen mietet die Räume als Hauptmieterin an und untervermietet das Lokal vergünstigt an die neuen Nutzer. Die Anmietung findet erst statt, wenn sich Interessierte melden und die Konzepte mit den Vorstellungen der Eigentümer zusammenpassen. Die restliche Miete wird über die Förderung und die Stadt für bis zu 24 Monate übernommen. In den Mietkonditionen müssen die Eigentümer dabei zusätzlich entgegenkommen und die Altmiete auf mindestens 70 Prozent reduzieren. Die neuen Mieter zahlen dann lediglich 20 Prozent der letzten Kaltmiete vor Leerstand zuzüglich der Nebenkosten. Lag diese bei 1.000 Euro, müssen nun also nur noch 200 Euro als Miete gezahlt werden.
Viele Anrufe und Bewerbungen
Ein guter Deal, der bislang auch gut angenommen wurde, wie Hennes berichtet: „Wir haben im November, Dezember und Januar zusammengerechnet zehn Läden vermittelt. Sozusagen auf einen Schlag. Das gab es noch nie.“ Neben „Auge & Welt“ und dem „Fashion Square Concept Store“ gehören dazu die Aixakt Schreinerei (Markt 26), das Tattoo- und Piercingstudio „Glorious Art“ (Markt 7), „Et Modelädche“ (Großkölnstraße 42), das Modelabel „OUI“ (Großkölnstraße 44), das Hilfangebot „Picco Bella“ für Migrantinnen und Migranten zur Berufsqualifizierung (Alexanderstraße 75) sowie der italo-französische Modeladen „Diosa“ (Komphausbadstraße 26). Zügig an den Start gehen soll zudem auch der Community-Game-Store „White Rabbit“ (Wirichsbongardstraße 39).
Das gesteckte Ziel von 17 Lokalen sei greifbar, könne unter Umständen sogar noch übertroffen werden, prognostiziert Hennes: „Wir möchten in der restlichen Laufzeit noch sieben weiteren Läden den Weg bereiten. Vielleicht sind sogar zehn möglich.“ Das sagt Hennes, weil fast täglich Anrufe eingingen und er rund 40 konkrete Bewerbungen um Ladenlokale auf seinem Schreibtisch gehabt hätte. Konkret bahnen sich weitere Lokale in der Krämer- und in der Großkölnstraße sowie im Dahmengraben und anderen Straßenzügen an.
Von der Initiative zu profitieren ist weiterhin möglich. Zwar wird mit jedem Monat die Zahl der geförderten Monate geringer, weil das Programm die finanzielle Unterstützung der Stadt nur bis einschließlich Dezember 2023 ermöglicht. Doch Hennes unterstreicht: „Auch ein Jahr oder anderthalb Jahre eine solche Hilfe nutzen zu können, ist eine enorme Entlastung.“
Zurück zum Modeladen von Klaus Kroeger und Helene Kroeger-Biber. Weshalb die beiden bislang kaum Werbung für ihr Geschäft betrieben haben, ist schnell erklärt. Sie wollen mit der Frühjahrs- und Sommerkollektion voll durchstarten. „Ende März folgt eine richtige Eröffnung“, versichert Kroeger. Die Kleidung ist preislich im Premium- bis Luxussegment angesiedelt. Aushängeschild ist die gleichnamige Marke des ehemaligen französischen Models Inès de la Fressange, die mit 17 einen Exklusivvertrag bei Chanel erhielt und Muse von Karl Lagerfeld war. Mittlerweile ist sie selbst Designerin. Ihre Mode ist in Deutschland sonst nur noch in Berlin erhältlich. Neben dieser und weiteren Marken bietet der „Fashion Square Concept Store“ auf den 170 Quadratmetern allerdings auch Feinkost-Artikel, Parfüm, Wein, Uhren und sogar Bilder zum Verkauf an. „Angedacht ist auch eine kleine Café-Ecke“, sagt Kroeger.
Die Idee hatten seine Frau und er schon früher. Sie sind in der Unternehmensberatung und im Marketing tätig, bringen sonst einen Fashion-Guide heraus und hatten daher bereits gute Kontakte zu Händlern und Herstellern. Corona machte ihnen zunächst einen Strich durch die Rechnung. Nun sahen sie den passenden Moment gekommen. Und Kroeger sagt: „‚Ladenliebe’ war der letzte Kick, den es brauchte, um es hier in Aachen zu machen.“ Bislang sei die Kundenfrequenz zwar noch sehr gering, dafür aber sehr positiv. Der Store brauche etwas Zeit, um bekannt zu werden. Das finanzielle Risiko ist vergleichsweise überschaubar, weil das Ehepaar mit Herstellern zusammenarbeitet, die Ware zurücknehmen, die nicht verkauft wird - von einem Mindestumsatz abgesehen. „Es gibt bei uns nicht den klassischen Sale, höchstens mal bei einzelnen Stücken.“ Was allerdings möglich ist: Findet ein Kunde das gleiche Produkt online günstiger, bekomme er den gleichen Preis im Laden. Ein Konzept, das Kroeger zufolge zukunftsfähig ist: „Wir haben Kontakt zu vielen weiteren Herstellern aus verschiedensten Preissegmenten oder Stilen und bieten Interessierten an, ihnen als Franchise-Partner bei der Zusammenstellung zu helfen.“
Vielleicht ja eine Idee für das nächste Lokal, das über die Laden(liebe)theke geht. Kai Hennes würde es freuen. \
Am Rande
Das Land Nordrhein-Westfalen hat ein „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren“ mit einem Volumen von rund 100 Millionen Euro auf die Beine gestellt. Der Stadt Aachen stehen davon etwa 800.000 Euro zur Verfügung, um die Innenstadt in der Corona-Pandemie zu stärken und den Einzelhandel zu unterstützen. \
Webseite Fashion Square Shop
Webseite Citymanagement Aachen „Ladenliebe“
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