Während der Corona-Epidemie dürstete es den Menschen nach Untergangsliteratur und -filmen. „Contigion“, der globale Epidemie-Blockbuster von Steven Soderbergh, erzielte einen Spitzenplatz auf Streaming-Plattformen, so wie Albert Camus’ „Die Pest“ als Paradebeispiel für Untergangsszenarien in der Literatur abseits der Schullektüre plötzlich wieder brandaktuell wurde. Das Ende Oktober stattfindende Camus-Festival zeigt allerdings wesentlich mehr Facetten des existentialistischen Philosophen, Romanciers und 1957 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Franzosen auf.
Initiatorin des Festivals ist die in Aachen ansässige Albert Camus Gesellschaft, hier federführend Holger Vanicek aka Sebastian Ybbs, Schriftsteller, Bildhauer und Präsident des Vereins. Dessen Anliegen seit der Vereinsgründung 2014 ist es, „die Leitgedanken Albert Camus’, die sich in seiner politischen, literarischen und philosophischen Arbeit niederschlagen, kritisch zu diskutieren und sie in die Gegenwart hinein zu reflektieren.“
Das klingt trockener, als es sich in der programmatischen Vielfalt des Festivals niederschlägt. Denn wer nicht mit Camus vertraut ist – Albert Camus gilt auch heute noch als einer der meistgelesenen Autoren weltweit -, wird hier anregende Momente mitnehmen können: In Vorträgen und Gesprächen wird der geistige Diskurs gesucht, zum Beispiel im Schwerpunkt „Die Jugendbewegungen und das Maß der Revolte“: die friedliche Revolte als Chance, politische und gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. „Revolte Heute“ heißt die Podiumsdiskussion, die mit Niklas Schinerl von Greenpeace Deutschland, Vertreter*innen der Fridays for future- und Aktivist*innen der Hambacher Forst-Bewegung (beide angefragt) und Jürgen Kippenhan vom Philosophischen Institut LOGOI, hier als Vertreter der Alt-68er-Generation, besetzt ist.
Zahlreiche Kooperationspartner*innen haben sich für das Festival zusammengetan: die Bürgerstiftung Lebensraum, die Frankenb(u)erger, LOGOI, das Heinrich-Böll-Haus, das Institut Français in Aachen, KuKuK an der Grenze, das Literaturbüro Euregio Maas-Rhein, das Theater K sowie die Volkshochschule Aachen.
Diese Programmvielfalt kommt nicht von ungefähr. Holger Vanicek erläutert seine Vorstellungen zur Idee des Festivals: „Wir hatten in den letzten Jahren viele Veranstaltungen mit ganz tollen Referent*innen und Künstler*innen, die zu Camus oder seinen wichtigen Themen gearbeitet haben. Meine Idee war, diese Menschen alle einmal zusammen zu bringen, in der Gewissheit, dass aus den Begegnungen wieder etwas Neues entstehen wird. Außerdem wollte ich ein Festival auf die Beine stellen, das auch junge Menschen anspricht, die Albert Camus vielleicht nicht kennen, dessen Themen für sie dennoch heute hochbrisant sind. Wenn man sich die Liste der Mitwirkenden ansieht, kann man sagen, dass uns das von dieser Seite aus schon gelungen ist.“
Die jungen Filmemacher Antoine Schweitzer und Julian Withalm zeigen ihre Kurzverfilmungen, Szenen aus Camus’ Drama „Die Gerechten“ und seinem Roman „Der Fremde“.
Daneben zeigt die Aachener Filminitiative Kaleidoskop den Dokumentarfilm „Les vies d’Albert Camus“ über das Leben und Werk Camus’.
Eine „Soirée Camusienne“ betitelte Veranstaltung in der Aula Carolina lässt u.a. den Bochumer Poetry-Slammer Florian Stein sowie Anna Maria Stock und Gina Sophia Franke von der Uni Bremen über das Themensemester camus4solidarity sprechen. Das Semester nimmt Bezug auf Camus’ „Die Pest“ (1947) und die daran gekoppelte alte Frage nach Solidarität, die nun von den Student*innen im aktuellen Kontext diskutiert wird.
Im weiteren Verlauf des Abends wird der Schauspieler Karl-Walter Sprungala Albert Camus’ Caligula in einer multimedialen Inszenierung darbieten. Eine literarisch-musikalische Soirée zu den Sehnsuchtsorten Camus’ spielen die Schauspielerin Mona Creutzer (Theater K) und die Musikerin Sonja Mischor.
Neben der deutschen Festivalsprache werden in Kooperation mit dem Institut Français auch französischsprachige Programmpunkte angeboten. Mit Szenen und Inszenierungen als Beiträgen wird ein initiierter Jugendwettbewerb ins Programm integriert.
Die Herausforderung ist groß, kann aber mittels einer diskursiven Programmvielfalt gemeistert werden: Das siebentägige, ehrenamtlich organisierte Albert Camus Festival soll ein großes kulturelles Ereignis für Aachen, die Städteregion und die Euregio sein!?\ rm
Webseite Albert Camus Festival
WEITEREMPFEHLEN