Von Kira Wirtz
Sein oder Nichtsein, das ist keine Frage. Zumindest, wenn die Frage korrekt lauten würde: Willst du am Theater sein oder willst du nicht am Theater sein? Das würde Furkan Yaprak mit einem definitiven und lauten „Ich will am Theater sein!“ beantworten.
Yaprak, 1999 geboren, ist neu am Theater Aachen. Er kommt frisch von der Schauspielschule in Stuttgart und hat Lust, zu spielen. Intendantin Elena Tzavara hat für das Ensemble eine ganze Reihe neuer, junger Talente versprochen. Yaprak ist einer von ihnen. In Aachen muss er sich noch etwas einleben, er ist erst Anfang August aus dem Schwabenland hergezogen. Aber ihm gefällt es. Vor allem, dass die Aachener so herzlich sind, dass man schnell in den Niederlanden und Belgien ist, dass Aachen eine junge Stadt ist. „Ich vermisse das Wasser ein bisschen“, gesteht er und spricht damit vielen alteingesessenen Aachenern aus der Seele. Aber zurück zum Wunsch, auf einer Theaterbühne zu stehen.
Yaprak wuchs in einem kleinen Dorf bei Memmingen auf. Seine Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei. „Um ehrlich zu sein, war es für mich in einem so kleinen Dorf nicht immer leicht. Wir waren die einzige türkische Familie und ich habe immer versucht, mich so gut es geht anzupassen.“ Wohl gefühlt hat er sich häufig nicht. Erst als er in der Grundschule seine ersten Theaterversuche machte und dann am Jugendclub des Landestheaters Schwaben teilnahm, fühlte er sich als ein Teil eines Ganzen.
„Das war der erste Ort, den ich kennengelernt habe, wo man nicht auf gesellschaftliche Normen geachtet hat. Und das war sehr befreiend für mich.“ Und weil auch seine Eltern ihn in dem Wunsch bestätigten, Schauspieler zu werden, ging er an die Schauspielschule in Stuttgart und begeisterte in seiner Abschlussproduktion „Der zerbrochene Krug“ derart, dass bald darauf das Theater Aachen bei ihm anrief und ihn nach Aachen holte.
Geht er zwar privat gerne auch mal ins Kino, ist für ihn die Theaterarbeit entscheidend. Der Prozess, wie man dem Text immer wieder neue Dimensionen einhaucht und seine Rolle dabei neu entdeckt, zählt für ihn zu einem, wenn nicht wichtigsten Teil, seiner Arbeit.
Und auf Textarbeit legt der Regisseur Laurent Chétouane, der „Hamlet“ mit Yaprak in der Titelrolle inszeniert, einen besonderen Fokus. Chétouane hat einen ganz eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt und stürzt in seinen Theaterarbeiten alte Sehgewohnheiten gerne um, indem er den Text ganz genau unter die Lupe nimmt. „Wir nehmen uns das gesprochene Wort vor. Wir versuchen nicht, eine Rolle zu formen, sondern schauen, wohin uns der Text bringt. Was er mit uns macht, wie er wirkt.“ Yaprak ist begeistert. „Es ist nicht einfach, aber als Team arbeiten wir daran. Und wir merken, wie uns der Text bewegt und auf uns wirkt und das wollen wir auch beim Zuschauer erreichen.“ Ganz nach dem Motto, der Text sagt, wo es langgeht. Und dadurch wird sich das Rätsel um den Hamlet aufs Neue lüften, den alten Stoff aus der Tragödie von Shakespeare in der Übersetzung von Heiner Müller neu beleuchten.
Sein Debüt am Theater Aachen in der Titelrolle eines so bekannten Stückes zu geben, ist sowohl Herausforderung als auch Ehre für Yaprak. Aber gemeinsam mit dem Team überwiegt die Vorfreude.
Apropos Team: „Das Ensemble hier hat mich ab dem ersten Tag unterstützt. Nicht nur bei unserer täglichen Arbeit. Auch beim Umzug waren überall helfende Hände und beim Kennenlernen der Stadt.“ Dass das nicht selbstverständlich ist, weiß er.
Aber so scheint die grundlegende Stimmung am Theater Aachen zu sein, das seine Türen in die Stadt öffnet, spartenübergreifend arbeiten möchte und Talente fördern will. Wenn das alles so gelingt, können sich die Besucher auf viele aufregende, neu zu entdeckende Produktionen gefasst machen. Yaprak kann es manchmal selbst noch nicht glauben, jetzt hier in Aachen am Stadttheater angekommen zu sein. „Wenn ich am Theater Aachen vorbeigehe, schau’ ich mir das Haus von außen an und denke: Ja, hier arbeite ich jetzt. Und hier will ich sein!“ Ab 14.10. „Hamlet“ 19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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